sozial-Recht

Landessozialgericht

Landkreis muss Gebärdendolmetschen an Schule sicherstellen



Stuttgart, Reutlingen (epd). Die Assistenz durch einen Gebärdendolmetscher für ein gehörloses Kind kann auch in einer Schule für gehörlose und höreingeschränkte Schüler Aufgabe der Eingliederungshilfe und nicht der Schule sein. Das Landessozialgericht hat mit dieser Begründung in einem Eilverfahren den Landkreis Reutlingen verpflichtet, einer gehörlosen 13-jährigen Schülerin vorläufig 16 Stunden Assistenz durch einen Gebärdendolmetscher wöchentlich zu gewähren, teilte das Landessozialgericht Baden-Württemberg am 16. März in Stuttgart mit. Eine endgültige Entscheidung, ob der Landkreis als Träger der Eingliederungshilfe die Kosten des Gebärdendolmetschers tragen muss, werde erst in einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Reutlingen ergehen.

Jetzt ging es darum, ob für die Kosten von voraussichtlich 85 Euro pro Stunde die Schule, für die das Land verantwortlich ist, oder die Schulassistenz im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Schülerinnen und Schüler aufkommen muss, die Aufgabe der Land- und Stadtkreise ist. Für den „pädagogischen Kernbereich“ des Unterrichts, also für die Vermittlung des Lehrstoffs, seien die Schulen zuständig - beziehungsweise in dem Fall das Land als Schulträger. Die Assistenz für Schülerinnen und Schüler mit Behinderung beim Besuch einer Schule sei jedoch Aufgabe der Eingliederungshilfe, für die in Baden-Württemberg die Stadt- und Landkreise zuständig sind, erläuterte das Landessozialgericht.

Dolmetschen ist Aufgabe der Eingliederungshilfe

Im Fall der antragstellenden Schülerin ging es darum, dass sie am Unterricht nur dann erfolgreich teilnehmen kann, wenn das Dolmetschen in Deutscher Gebärdensprache (DGS), in der sie kommuniziert, gesichert ist. Diesen Dolmetscherdienst - einschließlich der lautsprachlichen Unterrichtsbeiträge der Mitschüler - den Lehrkräften zu übertragen, würde den Unterrichtsverlauf zu sehr bremsen, erläuterte das Gericht. Den Gebärdendolmetscher zu stellen, sei daher Aufgabe der Eingliederungshilfe.

Das Gericht wies am Rande darauf hin, dass die Vermittlung der Deutschen Gebärdensprache (DGS) an gehörlose Schüler zwar eigentlich eine Leistung der Schule sei, die aber zurzeit nicht ausreichend erbracht werde. Es könnten daher dem Landkreis wegen der Kosten des Gebärdendolmetschers möglicherweise Regressansprüche gegen den Schulträger zustehen.

Az.: L 2 SO 204/23 ER-B