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Rettung der Wohlfahrtspflege in schwerer Zeit




Die Hilfskasse im Wohlfahrtshaus an der Berliner Oranienburger Straße im Jahr 1924
epd-bild/Sozialbank
Mehrere Sozialverbände schufen vor genau 100 Jahren mit der "Hilfskasse" ein Kreditinstitut nur für die Wohlfahrtspflege. Die daraus hervorgehende Bank für Sozialwirtschaft besteht noch heute - und ist wichtiger denn je.

Berlin (epd). „Wir haben Kunden, die etwas Gutes machen, und wenn man den Kunden dabei hilft, das Gute zu finanzieren, dann finde ich, ist das ein Gefühl, da kann man abends ganz gut mit ins Bett gehen“, sagt Dietmar Krüger, der von 1997 bis 2014 Mitglied des Vorstandes der Bank für Sozialwirtschaft (BFS), war. Und diese wohligen Gefühle haben inzwischen eine lange Tradition, sie sind genau 100 Jahre alt. Denn um die Förderung der Liquidität ging es schon 1923 bei der Gründung der „Hilfskasse gemeinnütziger Wohlfahrtseinrichtungen Deutschlands“, dem Vorgänger der BFS.

Damals wie heute nutzen Pflegeheime, Kliniken und viele andere Sozialträger die Dienste der spezialisierten Bank mit Sitz in Köln, um ihre Arbeit und Wirtschaftlichkeit zu sichern. Daran änderte auch die Umwandlung der BFS in eine Aktiengesellschaft 1997 nichts - Grundlage für das große Kreditwachstum, das sie bei der Finanzierung von Sozialimmobilien über viele Jahre verzeichnet. Die Anteilseigner der Bank stammen noch 2023 zu mehr als 90 Prozent aus den Reihen der Freien Wohlfahrtspflege.

Neun Männer leisten Pionierarbeit

Eine neunköpfige Kommission leistet die Vorarbeit, dann erfolgt die Gründung der Hilfskasse am 10. März 1923 beim Berliner Notar Fritz Lamm. Sie rettet die Wohlfahrtspflege in schwerer Zeit. Denn nach dem Ersten Weltkrieg steckt die junge Republik schwer in der Krise - politisch, gesellschaftlich und wirtschaftlich.

In Zeiten der galoppierenden Inflation steht vielen Trägern der Wohlfahrtspflege das Wasser bis zum Hals. Die Zuwendungen und Spenden an die Einrichtungen sind versiegt, die Aufnahme von Darlehen ist viel zu teuer - und zugleich ist der Hilfebedarf in der Bevölkerung enorm groß. Doch mit der Rolle des „hilflosen Helfers“ wollen sich die Sozialverbände nicht abfinden. Sie suchen gemeinsam eine Lösung. Ihr Plan: die Gründung einer Einrichtung, die die Beschaffung, Gewährung und Vermittlung von Darlehen an gemeinnützige Wohlfahrtseinrichtungen professionell in die Hand nimmt. So kommt es zur Gründung der „Hilfskasse“.

Stammkapital kommt vom Wirtschaftsministerium

Das Stammkapital dieser speziellen Fachbank in Höhe von 800.000 Mark stammt als zinsgünstiges Darlehen aus der Kasse des Reichswirtschaftsministeriums, das dem Projekt überaus wohlwollend gegenübersteht. Satzungsgemäße Tätigkeiten der Gesellschaft sind die Beschaffung von In- und Auslandsmitteln zur Gewährung von Darlehen an gemeinnützige Wohlfahrtseinrichtungen, die Gewährung und Vermittlung von Darlehen an sie, die Verwaltung ihrer Sparguthaben und die Beratung der Träger in in finanzieller Fragen. 1924 kann sie treuhänderisch die ersten Gelder zur Förderung der Freien Wohlfahrtspflege in Form mittelfristiger Kredite vergeben.

Wenige Jahre später drohen neue Schwierigkeiten: erst die Weltwirtschaftskrise, dann der Nationalsozialismus. Der NS-Staat fackelt nicht lange. Zunächst wird die Zentralwohlfahrtsstelle der deutschen Juden aus der Hilfskasse verdrängt, dann wird die Gleichschaltung vollzogen, auch wenn Innere Mission und Caritas formell weiter Gesellschafter bleiben.

Büros versinken im Bombenhagel

Im November 1943 wird das „Wohlfahrtshaus“ in der Oranienburger Straße, dem Sitz der Hilfskasse, bei einem Bombenangriff schwer beschädigt. Nach einem zweiten Bombentreffer erfolgt der Umzug ins Seebad Heringsdorf auf Usedom, wo ab Februar 1944 in einem Schwesternwohnheim Quartier genommen wird.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übersteht die Hilfskasse schwierige Jahre, bis sie ihre Zulassung zum Neugeschäft wiedererlangt. Sie muss sich neue Tätigkeitsfelder erschließen, die sie als „Bank für Sozialwirtschaft“ erfolgreich ausbaut.

Entwicklung hin zur Universalbank

Mitte der 60er Jahre beginnt mit der Aufnahme des Spargeschäfts und der nicht treuhänderischen Kreditvergabe an Einrichtungen und Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege die Entwicklung hin zur Universalbank. Ab den 1990er Jahren werden selbst langfristige Darlehen vergeben. Mitte der 90er Jahre wird die eigene Kreditvergabe durch langfristige Kredite der Deutschen Ausgleichsbank und Förderdarlehen der KfW ergänzt. Die Finanzierung von Sozialimmobilien entwickelt sich zum Schwerpunkt im Kreditgeschäft.

Im Jubiläumsjahr zeigt sich die Bank gut aufgestellt: „Wir verzeichnen eine stabile Nachfrage nach Krediten. Der Investitionsbedarf in unseren Kundenbranchen ist weiterhin sehr hoch“, sagt Vorstandsvorsitzender Harald Schmitz. Im Bereich der kurz- und mittelfristigen Kredite erzielt die Bank 2022 einen Zuwachs von rund 39 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die durchschnittliche Bilanzsumme belief sich 2022 auf rund elf Milliarden Euro. „Seit einem Jahrhundert bringen wir Menschen und Organisationen zusammen, die erfolgreich das Gemeinwohl stärken. Seit 100 Jahren und in Zukunft“, erklärt Schmitz.

Dirk Baas