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Studie: Kinder aus armen Familien bekommen seltener einen Kita-Platz




Malen in der Kita
epd-bild/Thomas Lohnes
Eine Studie zeigt die Kluft in der frühkindlichen Bildung: Kinder aus gut verdienenden Familien bekommen doppelt so häufig einen Kitaplatz als Kinder aus armen Familien. Bildungsforscherinnen fordern mehr Unterstützung für benachteiligte Familien.

Frankfurt a.M. (epd). Sozial benachteiligte Kinder haben einer Studie zufolge deutlich geringere Chancen auf einen Betreuungsplatz in einer Kita als Kinder aus besser gestellten Familien. Daran habe sich auch zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz nach dem vollendeten ersten Lebensjahr wenig geändert, heißt es in einer am 10. März in Wiesbaden vorgelegten Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB).

Massiver Mangel an Kita-Plätzen

Für die Studie wurden die Daten zur Kita-Nutzung von rund 96.000 Jungen und Mädchen analysiert. Betroffen sind demnach Kinder aus bildungsferneren Familien, aus armutsgefährdeten Verhältnissen und aus Haushalten, in denen kein Deutsch gesprochen wird.

Sevrin Waights, Bildungsforscher am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, fasste auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes die wichtigsten Erkenntnisse aus der Studie so zusammen: „Es gibt ein massives Mangelangebot an Kita-Plätzen. Dieses Defizit bedeutet, dass sehr viele Eltern, die einen Rechtsanspruch auf einen Platz haben, in der Realität keinen Platz bekommen.“ Die großen Unterschiede bei den Betreuungsquoten - je nach sozioökonomischem Hintergrund der Familien - sind laut Waights „nicht auf eine unterschiedliche Nachfrage zurückzuführen, sondern darauf, ob diese Nachfrage erfüllt wird“.

Im Jahr 2020 hatte nach der BiB-Studie nur etwa jedes vierte armutsgefährdete Kind unter drei Jahren (23 Prozent) einen Platz in einer Kita, während es bei Familien aus nicht-prekären Verhältnissen doppelt so viele waren (46 Prozent). Der Betreuungswunsch von ärmeren Familien wird in rund 17 Prozent der Fälle nicht erfüllt, bei reicheren Familien erfüllen Kitas nur etwa jeden zehnten Betreuungswunsch nicht.

Komplexe Anmeldeprozesse

Ein ähnliches Muster zeigt sich bei Familien mit Migrationshintergrund. Unter allen Kindern, die zu Hause hauptsächlich Deutsch reden, besuchen 38 Prozent eine Kita. Unter Jungen und Mädchen, in deren Familien kein Deutsch gesprochen wird, sind es hingegen nur 24 Prozent. „Familien, die zu Hause kein Deutsch sprechen, äußern genauso häufig einen Wunsch nach einem Kita-Platz wie andere Familien. Trotzdem gehen diese Kinder viel seltener vor dem dritten Lebensjahr in eine Kita“, sagte Sophia Schmitz, Co-Autorin der Studie.

Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) in München befasst sich regelmäßig mit dem Zusammenhang von soziale Ungleichheit und der Nutzung von Kita-Plätzen. Dabei stellt das Institut nach Angaben von Susanne Kuger, Professorin für Empirische Sozial- und Bildungsforschung im Kindes- und Jugendalter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, fest: „In Regionen mit knappem Platzangebot gehen Kita-Plätze häufiger an bestimmte Familien.“ Dazu gehören unter anderem „Eltern, die ihre Präferenz für eine bestimmte Kita mit Nachdruck, Engagement und Fantasie zum Ausdruck bringen“, wie Kuger dem epd sagte. „Das beginnt beim persönlichen Vorstellen in der Kita und endet - anekdotisch - bei Versprechen über Mithilfe bei Festen oder anstehenden Renovierungsarbeiten.“

Im Vorteil seien auch Eltern, die unterschiedliche Wege der Anmeldung nutzen. Komplexe Anmeldeprozesse stellten außerdem in vielen Städten ein Hindernis für Familien ohne ausreichend gute Sprachkenntnisse dar, erklärte Kuger. Auch sei vielen ihr Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz nicht bewusst. Andere Familien wiederum „wissen nicht oder erkennen erst zu spät die enge Platzsituation und melden ihr Kind (zu) spät an. Für einen Krippenplatz muss man in vielen Regionen mit besonders hoher Platzknappheit häufig schon um den Zeitpunkt der Geburt herum anmelden“, sagte die Münchner Forscherin.

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung in Wiesbaden fordert, Familien über die Vorteile eines frühen Kita-Besuchs niedrigschwellig zu informieren und Eltern bei der Suche nach Betreuungsplätzen zu unterstützen. Außerdem sei ein weiterer Kita-Ausbau nötig. Nach Kugers Ansicht ist „der zentrale Mechanismus zum Abbau der Ungleichheiten der Aufbau ausreichender Betreuungskapazitäten - was allerdings angesichts der großen Personalengpässe ein echtes Problem darstellt“, sagte sie dem epd.

Markus Jantzer