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Pflege

Warum junge Kenianer in Deutschland Krankenpfleger werden wollen




Studierende an der Universität in Nairobi
epd-bild/Birte Mensing
Weil in Deutschland Fachkräfte fehlen und in Kenia vielen jungen Menschen die Perspektiven, arbeiten Hochschulen aus Nairobi und Koblenz gemeinsam an einer Lösung. Ein erster Schritt ist ein Programm für angehende Pflege-Azubis aus Ostafrika.

Nairobi (epd). Stephenie Rachel ist 20 Jahre alt und hat ein großes Ziel vor Augen: Sie will im Herbst nach Deutschland ziehen und eine Ausbildung zur Krankenpflegerin beginnen. Dazu belegt sie einen Vorbereitungskurs an der Mount Kenya University, der in Kooperation mit der Hochschule Koblenz seit Januar zum ersten Mal angeboten wird. Gemeinsam mit 14 anderen lernt die junge Kenianerin dort Grundlagen der Medizin, beschäftigt sich mit Ethik in der Pflege und bald auch mehr mit Deutschland, der Sprache und den Gegebenheiten in Europa.

Gute Deutschkenntnisse

Für die Studiengebühren hat die ganze Familie zusammengelegt. „Sie haben große Hoffnungen“, sagt Stephenie. Sie hat schon in der weiterführenden Schule angefangen, Deutsch zu lernen und dann am Goethe-Institut weitergemacht. Um in das Programm zur Ausbildung in Deutschland aufgenommen zu werden, muss sie gute Deutschkenntnisse nachweisen. Zwei Semester dauert der Kurs an der größten privaten Hochschule Ostafrikas, pro Semester kostet er umgerechnet 800 Euro.

In Deutschland fehlen derweil mehrere hunderttausend Fachkräfte in der Pflege. Und die Wissenschaftler der Hochschule Koblenz rund um den Wirtschaftswissenschaftler Christian Lebrenz verfolgen mit dem Forschungsprojekt so auch eine Vision: langfristig Wege finden, um Fachkräfte für den chronisch unterbesetzten Gesundheitssektor anzuwerben.

Professor Christopher Mutembei betreut das Projekt in Kenia. Es unterscheide sich deutlich davon, wie sonst Fachkräfte geworben werden, erklärt er. Sonst wollten alle schon ausgebildete Fachkräfte. Mit seinem Programm hingegen sollen junge Menschen mit Interesse im Gesundheitsbereich gefördert werden, die noch keine Ausbildung haben. Und im Idealfall sollen sie eines Tages nicht nur mit Überweisungen aus Deutschland an die Familie, sondern auch mit ihrem gewonnenen Wissen zur Entwicklung in Kenia beitragen.

Perfekte Partnerschaft

„Ich sehe das als eine zweite Lebenschance“, sagt der Kursteilnehmer Jeremia Maina. Er hat schon mehrere Jahre in Deutschland gelebt, Studium und Arbeit gleichzeitig aber nicht managen können. In Kenia gebe es wenig Chancen auf Arbeit und viele junge Menschen. Etwa dreiviertel der Bevölkerung sind 34 Jahre oder jünger. Selbst viele Uni-Absolventen finden keine Jobs und halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. In Deutschland sei es umgekehrt, viele offene Stellen und wenig junge Leute. „Eine perfekte Partnerschaft sozusagen“, sagt der 35-Jährige.

Die Partnerkrankenhäuser in Rheinland-Pfalz übernehmen die Kosten für Visum, Flug und am Anfang auch für die Unterkunft der Auszubildenden, für die dort im Herbst die Krankenpflegeausbildung beginnt. Das Programm trifft auch die neue Linie der Bundesregierung, die sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt hat, Arbeitsmigration zu erleichtern.

Langfristig wollen die Mount Kenya University und die Hochschule Koblenz Tausende Menschen im Jahr ausbilden und das Projekt auf andere Sektoren ausweiten, wie Lebrenz erklärt. Doch dafür müssen in Kenia erst Strukturen für mehr Deutschunterricht geschaffen werden. Und in Deutschland bessere Grundlagen bei der Aufnahme.

Deshalb sollen die Azubis von den Integrationsbeauftragten der Krankenhäuser und Paten aus einem Netzwerk afrikanischer Pflegekräfte in ihrer neuen Heimat begleitet werden. „Ich träume davon, nach der Ausbildung an der Uni Medizin zu studieren und Neurochirurgin zu werden“, sagt Stephenie Rachel. Danach will sie gerne in Deutschland arbeiten, aber Ziel ist auch: sich mit einem eigenen privaten Krankenhaus in Kenia für die Gesundheit ihrer Landsleute einzusetzen.

Birte Mensing