Frankfurt a.M. (epd). Auf Online-Dating hat David keine Lust mehr. Der Dortmunder ist arm, wie er selbst sagt. Und Single. Seine finanzielle Situation stelle bei der Partnersuche ein Problem dar. „In unserer Gesellschaft gibt es Rollenerwartungen an die Geschlechter. Beim Mann bedeutet das, im Zweifel die Rolle des Ernährers übernehmen zu können“, meint David, der im Niedriglohnsektor arbeitet und sich bei der Initiative „#IchbinArmutsbetroffen“ für Menschen am Existenzminimum einsetzt.
Der 39-Jährige hat ein paar Beziehungen und Dates hinter sich - seine Erfahrungen waren meist negativ: „Mir ist mal bei einem Date gesagt worden, dass ein Mann ja für das Auskommen sorgen müsse, spätestens wenn ein Kind unterwegs sei.“ David ist überzeugt: „98 Prozent bewerten deinen Wert als Kerl nach dem Beruf.“
Auf Twitter hatte sich im vergangenen Jahr unter den Hashtags #ichbinArmutsbetroffen und #gibArmuteinGesicht eine Debatte unter anderem auch zum Thema Armut und Dating entfacht. Viele Userinnen und Unser berichteten dort über ihre teilweise schmerzvollen Erlebnisse beim Dating.
Nach einer Studie der Partnervermittlung Gleichklang.de kann Armut eine Barriere beim Online-Dating sein. Demnach zeigte sich, dass 73 Prozent der weiblichen Singles einen mittellosen Beziehungspartner ablehnten. Wesentlich offener gaben sich männliche Singles, von denen lediglich 32 Prozent Ablehnung angaben.
Ablehnung zu erfahren, könne Selbstwertdefizite der Betroffenen verstärken, betont Psychologe Guido Gebauer, der die Online-Befragung angestoßen hatte. Betroffene hätten dann das Gefühl, nicht liebenswert zu sein. Häufig seien sie außerdem nicht mehr ausreichend aktiv und offen, um jemanden kennenzulernen. Bei Männern könne dadurch in seltenen Fällen auch das sogenannte Incel-Phänomen begünstigt werden, also der Hass auf Frauen. Nämlich dann, wenn Männer die erlebte Zurückweisung aggressiv verarbeiten und hierauf mit frauenfeindlichen Einstellungen reagieren.
Bereits bei der Anmeldung und Nutzung gängiger Online-Dating-Plattformen seien arme Menschen benachteiligt, erklärt Gebauer. Kostenlose Angebote hätten in der Regel keine ausreichende Funktionalität, manche kostenlose Plattformen seien oft unseriös.
Spätestens aber bei den ersten Begegnungen spiele Geld eine Rolle. Denn wer zahlt die Kinokarten oder das Essen im Restaurant? Einmal abgesehen von Reisekosten, wenn es etwa auf eine Fernbeziehung hinausläuft, was durch Online-Dating inzwischen häufiger vorkomme.
Viele solcher Situationen kennt Lena (Name von der Redaktion geändert). Die Studentin aus der Nähe von Düsseldorf hat ihren Freund über Tinder kennengelernt. In der Corona-Pandemie konnten sich die beiden zunächst nicht persönlich treffen. Wochenlang schrieben sie sich bei WhatsApp hin und her. „Bei einigen Themen konnte ich schon raushören, dass er eher ärmlicher aufgewachsen ist und auch aktuell so lebt“, erzählt die 26-Jährige.
Bereits bei den ersten Dates erzählte er ihr, dass er Geld vom Jobcenter erhalte. „Er hatte Angst, dass ich ihn deswegen weniger mag“, erinnert sich Lena. „Zu dem Zeitpunkt war ich aber schon Herz über Kopf verliebt.“ Die Rechnungen bei den Treffen hätten sich die beiden meistens geteilt. „Heute lade ich ihn oft ein“, sagt Lena.
Gemeinsam im Urlaub war das junge Paar noch nicht. Auch sonst müssten sich die Zwei oft fragen: Können wir uns diesen Ausflug leisten? „Meistens unternehmen wir Dinge, die nicht super kostspielig sind“, sagt Lena.
Der Dortmunder David will mit der Suche nach der Richtigen auch noch nicht aufgeben - allerdings außerhalb des Internets. „Entweder kommt sie irgendwann. Oder nicht. Und damit lebt es sich erheblich entspannter als mit dem Dating-Kram.“