Frankfurt a.M. (epd). Viele Pflegeheime haben kein Geld für Investitionen. Private und gemeinnützige Träger klagen darüber, dass sie sich Neubauten und Gebäudesanierungen kaum noch leisten könnten. Stattdessen haben in den vergangenen Jahren börsennotierte Konzerne und Investitionsfonds neue Gebäude gebaut, um sie dann an Pflegeeinrichtungen zu vermieten. Dabei sollen hohe Mieteinnahmen den Investoren zweistellige Renditen bescheren, beobachtet der evangelische Fachverband für Altenarbeit und Pflege (Devap). Andreas Wedeking, Geschäftsführer des Altenhilfe-Fachverbandes der Caritas, kritisiert: „Heuschrecken ziehen aus Pflege-Immobilien viel Geld ab.“
Doch auch die Bautätigkeit der privaten Investoren scheint gebremst. „In den vergangenen Jahren haben niedrige Zinskonditionen und der Druck von privaten Geldanlegern viele Bauvorhaben begünstigt“, sagt Devap-Geschäftsführerin Anna Leonhardi. Das habe sich geändert. Daher gehe das Rendite-getriebene Interesse an Investitionen in den Pflegesektor zurück.
Grundsätzlich gibt es aufgrund der Alterung der Bevölkerung einen großen Bedarf an professioneller Pflege und damit an zusätzlichen Betten in stationären Einrichtungen. Der Studie „Pflegeheim Rating Report 2022“ zufolge müssten für die wachsende Zahl an pflegebedürftigen Menschen bis 2040 bauliche Neu- und Re-Investitionen in den stationären Einrichtungen von 81 bis 125 Milliarden Euro getätigt werden.
Ob der Bedarf gedeckt werden wird, ist jedoch fraglich. Denn es steigt zwar in den kommenden Jahrzehnten die Zahl der Pflegebedürftigen, aber ob für sie ausreichend viele Pflegekräfte zur Verfügung stehen werden, ist höchst ungewiss. „Der limitierende Faktor ist der Fachkräftemangel“, sagt Leonhardi. Unter diesen Umständen machten Bau-Investitionen wenig Sinn.
Das gelte auch für die herkömmlichen Modelle, in denen Wohlfahrtsträger wie Caritas, Diakonie oder Arbeiterwohlfahrt selbst in den Bau investieren und die entstandenen Kosten über den Pflegesatz und den Investitionskostensatz, die sie mit den gesetzlichen Pflegekassen und den Sozialbehörden aushandeln, refinanzieren. Von den Banken erhalten die Träger die notwendigen Kredite, wenn sie nachweisen können, dass sie in der Lage sind, den Kapitaldienst, also Tilgung und Zinsen, sowie die Kosten für Instandhaltung und Wartung aus den vereinbarten Investitionskosten- und Pflegesätzen zu bezahlen.
Das bedeutet auch: Wenn neue Anforderungen auf die Träger zukommen, wie zum Beispiel ökologisches Bauen und klimafreundliche Heizanlagen, diese Anforderungen aber nicht durch Refinanzierungsmöglichkeiten im Pflegesatz gesichert sind, finden diese nicht statt. Auch die Refinanzierung von Investitionen in die digitale Infrastruktur der Heime ist nach Angaben der Diakonie oftmals nicht gewährleistet.
Der Verband der privaten Pflegeeinrichtungen bpa klagt ebenfalls über schlechte Bedingungen für Investitionen. Pflegebetriebe könnten nur dann in Gebäude investieren, wenn sie ausreichend Rücklagen bilden. „Das ist jedoch immer seltener der Fall“, stellt der bpa fest. Die wirtschaftliche Lage der Pflegeheime habe sich seit 2016 kontinuierlich verschlechtert und sei angespannt.
Im Jahr 2019 befanden sich laut dem Pflegeheim Rating Report rund 20 Prozent im „roten Bereich“ - mit erhöhter Insolvenzgefahr. Verschlechtert hat sich auch die Ertragslage der Betreiber: Schrieben 2016 rund zehn Prozent der Pflegeheime einen Jahresverlust, waren es laut der Studie im Jahr 2019 bereits 26,5 Prozent.
Zur Misere der Pflegeheimbetreiber kommt hinzu: Die staatliche Förderung von Investitionen ist stark zurückgegangen, wie eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums ausweist. Devap-Geschäftsführerin Leonhardi stellt fest: „Es gibt kaum noch Fördermittel. Viele Bundesländer sind fast vollständig aus der direkten Subventionierung der Investitionen ausgestiegen.“ Insbesondere in den neuen Bundesländern seien daher künftige Ersatzneubauten und Sanierungen nicht sichergestellt.
Die Folge aus dem staatlichen Rückzug aus der Investitionsförderung ist laut Diakonie: „Die Heimbewohnerinnen und -bewohner tragen die Kosten.“ Steigende Baukosten, die nach einem Umlageverfahren an die Heimbewohner weitergegeben werden, verschärften die Situation. Seit vielen Jahren werde gefordert, der Staat solle allen Bewohnerinnen und Bewohnern einen Teil der finanziellen Belastung abnehmen. Bislang hatte die Forderung keinen Erfolg: Heute werden unter den Heimbewohnern lediglich die Bezieherinnen und Bezieher von Sozialhilfe und von Wohngeld entlastet. Das ist gut ein Drittel aller Pflegebedürftigen in den stationären Einrichtungen.
Unter den aktuellen Bedingungen seien Reinvestitionen in Gebäude nur durch permanente Erhöhung der Pflegesätze für die Bewohnerinnen und Bewohner möglich, klagen Caritas und Diakonie übereinstimmend. Außerdem sei es „unerträglich, dass die Bewohnerinnen und Bewohner je nach Bundesland mit völlig unterschiedlichen Kostenanteilen belegt werden. Gleichwertige Lebensverhältnisse entstehen so nicht“, kritisiert der Fachverband der Diakonie.
Um die finanzielle Belastung für alle Heimbewohnerinnen und -bewohner zu reduzieren, fordern die kirchlichen Wohlfahrtsverbände eine verbindliche Obergrenze für die individuellen Pflegekosten. Sie verweisen dabei auf eine Studie des Bremer Pflege-Ökonomen Heinz Rothgang, wonach die monatlichen Eigenanteile der Heimbewohnerinnen für Pflegeentgelte und Ausbildungskosten auf maximal 700 Euro begrenzt werden sollten. Außerdem sollten sich die Bundesländer mit einem monatlichen Zuschuss von 100 Euro pro Heimbewohner an den Investitionskosten beteiligen. Die Entlastungen für die Bewohnerinnen und Bewohner sollten aus Steuermitteln aufgebracht werden.
Das sei aber nicht genug an staatlicher Unterstützung: „Flächendeckende Beteiligung der Länder an Investitionskosten, wie es im Krankenhausbereich üblich ist, brauchen wir dringend auch für die Altenhilfe“, sagt Devap-Geschäftsführerin Leonhardi.
Im Kliniksektor werden die Investitionen komplett von den Bundesländern bezahlt. Allerdings zeigt auch diese Regelung Schwächen: Die Investitionslücke in diesem Bereich wächst nach übereinstimmender Einschätzung von Klinikträgern und Krankenkassen jedes Jahr um rund drei Milliarden Euro.