sozial-Politik

Krieg in der Ukraine

Jeder fünfte Flüchtling ist berufstätig




Tetiana und Viktoria (v.l.) aus Odessa bereiten das Frühstück für die Gäste des Cocoon Hotels in München vor.
epd-bild/Matthias Balk

Berlin (epd). Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung unter ukrainischen Kriegsflüchtlingen sind am 16. Februar in Berlin vorgestellt worden. Das Forschungsprojekt „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ gibt auch Auskunft über die Arbeitsmarktchancen der Menschen und die Unterstützung, die sie benötigen, um sich eine eigene Existenz aufzubauen.

Ukrainerinnen und Ukrainer, die als Kriegsflüchtlinge eine Aufenthaltserlaubnis haben, erhalten Bürgergeld, können sich eine Arbeit suchen und Integrations- und Sprachkurse besuchen. Allgemein bringen sie selbst gute Voraussetzungen mit, um in Deutschland Fuß zu fassen. Die Hälfte der Erwachsenen sind jünger als 40 Jahre. 72 Prozent haben einen hohen, meist akademischen Bildungs- oder Ausbildungsabschluss.

Qualifikationen müssen erst anerkannt werden

Wie gut die Arbeitsaufnahme in Deutschland gelingt, hängt der Studie zufolge stark davon ab, wie schnell die Qualifikationen anerkannt werden. Eine weitere Herausforderung sind die Sprachkenntnisse. 80 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer gaben bei der Befragung an, dass sie nur wenig oder kein Deutsch sprechen. 50 Prozent besuchen einen Sprachkurs.

Die große Mehrheit (97 Prozent) ging in der Ukraine einer qualifizierten oder hochqualifizierten Tätigkeit nach. In Deutschland fand sich zunächst fast jede/r fünfte Geflüchtete in einem Helferjob wieder. Zugleich zeichnet sich eine Polarisierung ab: 21 Prozent der Menschen arbeiten in Jobs in der Gastronomie, Zustellung und Lagerwirtschaft mit niedrigem Qualifikationsniveau. Auf der anderen Seite finden sich aber 23 Prozent in Lehr- und Forschungsberufen, Werbung, Marketing und in der IT-Branche wieder. Mittlere Berufe wie Bürojobs sind hingegen selten.

Kinder behindern oft Aufnahme von Arbeit

Unterschiede gibt es auch zwischen Frauen und Männern: Sechs Monate nach der Ankunft waren 24 Prozent der Männer berufstätig, aber nur 16 Prozent der Frauen. Vor der Flucht waren hingegen 85 Prozent aller erwerbsfähigen Geflüchteten berufstätig, Frauen und Männer zu gleichen Anteilen. „Kinder wirken sich, insbesondere wenn sie keine Betreuungseinrichtungen besuchen, negativ auf die Erwerbstätigkeitswahrscheinlichkeit von Frauen aus, während Kinder bei Männern hier keinen signifikanten Effekt haben“, bilanzieren die Studienautoren und raten dringend zu ausreichenden Betreuungsangeboten: 79 Prozent der Ukrainerinnen in Deutschland wollen arbeiten.

Insgesamt war im Oktober 2022 knapp jede/r fünfte (17 Prozent) ukrainische Geflüchtete erwerbstätig. Mehr als drei Viertel gaben an, eine Arbeit aufnehmen zu wollen. Welche Entscheidungen getroffen werden, hängt damit zusammen, wie die Menschen ihre Zukunft sehen. Der Befragung zufolge ist die Wahrscheinlichkeit einer schnellen Arbeitsaufnahme höher bei Geflüchteten, die nicht lange bleiben wollen. Wer länger in Deutschland leben will, nimmt häufiger zunächst an Integrations- und Deutschkursen teil. Die Befragung ergab, dass 37 Prozent der Geflüchteten für immer oder mehrere Jahre bleiben wollen, 34 Prozent bis zum Kriegsende, zwei Prozent noch ein Jahr und 27 Prozent es nicht sagen können.

11.700 Flüchtlinge befragt

Für das Forschungsprojekt „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ wurden im vergangenen Jahr von August bis Oktober 11.700 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit befragt, die zwischen dem 24. Februar und Anfang Juni 2022 nach Deutschland eingereist waren. Themen waren die Unterbringung, der Arbeitsmarkt, die Lebenssituation der Kinder, soziale Integration und die Gesundheit der Geflüchteten.

An dem Forschungsprojekt sind das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB), das Forschungszentrum des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beteiligt.

Bettina Markmeyer


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