Erfurt (epd). Eine in einem Sozialplan vorgesehene zusätzliche Abfindung für schwerbehinderte Arbeitnehmer darf ältere Betroffene nicht davon ausschließen. Soll die zusätzliche Abfindung Nachteile bei der späteren Jobsuche ausgleichen, steht die Zahlung sowohl jüngeren als auch älteren behinderten Arbeitnehmern zu, stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem am 3. Februar veröffentlichten Urteil klar. Eine im Sozialplan enthaltene Deckelung der Abfindungshöchstsumme stehe dem nicht entgegen.
Im Streitfall ging es um einen Betrieb in Bayern, der wegen einer Werksschließung Personal entlassen musste. Es wurde ein Sozialplan mit Abfindungszahlungen vereinbart. Die Abfindung richtete sich unter anderem nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit, dem Einkommen und dem Alter und war auf 75.000 Euro pro Arbeitnehmer gedeckelt. Für schwerbehinderte Arbeitnehmer mit einem Grad der Behinderung (GdB) von über 50 war eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 2.000 Euro vorgesehen. So sollten für diesen Personenkreis bestehende erhöhte Nachteile bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle ausgeglichen werden.
Doch der mit einem GdB von 80 eingestufte Kläger hatte bereits wegen der langen Betriebszugehörigkeit und seiner Einkommenshöhe die Abfindungshöchstsumme von 75.000 Euro erreicht. Die 2.000 Euro Extra-Abfindung für schwerbehinderte Beschäftigte wurden bei ihm daher nicht berücksichtigt.
Diese Praxis diskriminiere ihn wegen seines Alters, rügte er. Die Zusatzzahlung solle Nachteile bei der Jobsuche ausgleichen. Ältere schwerbehinderte Arbeitnehmer hätten es auf dem Arbeitsmarkt besonders schwer. Daher sei es nicht gerechtfertigt, dass jüngere behinderte Beschäftigte die zusätzliche Abfindung beanspruchen können, Ältere, die wegen ihrer langen Betriebszugehörigkeit bereits die Abfindungshöchstgrenze erreicht haben, aber nicht.
Der Arbeitgeber lehnte die Zahlung der zusätzlichen Abfindung an den Kläger ab und verwies auf die gedeckelte Abfindungshöchstsumme.
Doch das BAG gab dem schwerbehinderten Mann recht. Zwar dürfe der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat wegen der begrenzten finanziellen Mittel in einem Sozialplan eine Höchstsumme für Abfindungen vorsehen. Auch dürfe er Gruppen von Beschäftigten bilden, die in unterschiedlicher Weise von dem Sozialplan profitieren können, etwa unterhaltspflichtige Arbeitnehmer mit Kindern.
Allerdings müsse innerhalb einer Gruppe von Beschäftigten jeder gleichbehandelt werden. Hier bestehe jedoch eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der abfindungsberechtigten schwerbehinderten Arbeitnehmer, so das BAG.
So solle die Zusatzzahlung spezifische Nachteile schwerbehinderter Beschäftigter bei der Jobsuche ausgleichen. Gerade ältere schwerbehinderte Beschäftigte mit langer Betriebszugehörigkeit hätten es besonders schwer, wieder auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Der Zweck der Zusatzabfindung für Schwerbehinderte, diesen Nachteil auszugleichen, werde jedoch nicht erfüllt, wenn der Kläger die Zahlung wegen der gedeckelten Gesamtabfindungssumme nicht erhält.
Doch auch ein höheres Alter eines Beschäftigten muss nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Mecklenburg-Vorpommern nicht immer zu einer Abfindung im Sozialplan führen. So dürften rentennahe Beschäftigte in einem Sozialplan wegen des Verlustes ihres Arbeitsplatzes mit geringeren Abfindungen abgespeist werden. Besteht Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente, können die jeweiligen Beschäftigten ganz von einer Abfindung ausgeschlossen werden, heißt es in dem Urteil vom 8. Dezember 2020.
Die damit verbundene Benachteiligung sei sachlich gerechtfertigt. Abfindungszahlungen sollen künftige wirtschaftliche Nachteile ausgleichen oder abmildern, so das LAG. Da rentennahe Beschäftigte häufig ausreichend wirtschaftlich abgesichert seien, sei ihnen das Streichen einer Abfindung zuzumuten.
Sieht dagegen ein Sozialplan zu einer Abfindung auch die Zahlung eines Kinderzuschlags vor, muss die Leistung Männern und Frauen in gleicher Weise gewährt werden, forderte das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 28. Oktober 2020. So dürfe der Kinderzuschlag nicht allein vom steuerlichen Kinderfreibetrag abhängen. Da der Kinderfreibetrag bei der überwiegend von Frauen gewählten ungünstigen Lohnsteuerklasse V nicht berücksichtigt werden kann, stellt solch eine Sozialplanregelung eine unzulässige mittelbare Diskriminierung von Frauen dar. Denn diese würden dann beim Kinderzuschlag leer ausgehen.
Az.: 1 AZR 129/21 (BAG)
Az.: 2 Sa 152/20 (LAG Rostock)
Az.: 18 Sa 22/20 (LAG Frankfurt am Main)