sozial-Recht

Oberverwaltungsgericht

Umgang mit eigenem Kind kann vor Abschiebung schützen



Magdeburg (epd). Auch ein regelmäßig begleiteter Umgang eines ausländischen Vaters mit seinem deutschen Kind kann vor einer Abschiebung schützen. Hat sich zwischen Vater und Kind eine Verbundenheit und emotionale Nähe entwickelt, kann der verfassungsrechtliche Schutz der Familie einer Abschiebung entgegenstehen, entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 5. Dezember 2022. Eine familiäre Gemeinschaft können auch dann bereits vorliegen, wenn der Vater nur sein Umgangsrecht ausübt und darüber hinaus keine Betreuungs- und Erziehungsaufgaben übernimmt, betonten die Magdeburger Richter.

Im konkreten Fall hatte der türkische Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug oder zumindest eine Duldung in Deutschland beantragt. Er verwies auf sein im Jahr 2020 geborenes deutsches Kind. Von der Mutter, seine ehemalige Verlobte, hatte er sich jedoch getrennt.

Alle zwei Wochen begleiteter Umgang unter Aufsicht der AWO

Mit ihr hatte er in einem AWO-Beratungszentrum eine Vereinbarung über den Umgang mit der gemeinsamen Tochter getroffen. Danach sollte er alle zwei Wochen eine Stunde lang einen begleiteten Umgang mit dem Kind haben.

Auf Nachfrage der Ausländerbehörde, wie das ablaufe, klagte die Mutter, dass weit entfernt wohnender Ex-Partner den Umgang nur als „Pflichtveranstaltung“ sehe und sich nicht weiter in die Erziehung einbringe. Weil vor diesem Hintergrund nach Auffassung der Behörde keine nach dem Grundgesetz geschützte familiäre Gemeinschaft vorliege, sollte der Vater in die Türkei abgeschoben werden. Die Abschiebung scheiterte dann aber daran, dass der Pilot den Mann wegen dessen Panik nicht befördern wollte.

Abschiebung zum zum Hauptsacheverfahren gestoppt

Das OVG stoppte nun bis zur Entscheidung in der Hauptsache die drohende Abschiebung. Die Ausländerbehörde habe die familiären Bindungen des Vaters zu seiner Tochter nicht ausreichend berücksichtigt, hieß es. Ob diese einer Abschiebung entgegenstehen, hänge immer vom Einzelfall ab. Hier habe, ganz anders, als von der Mutter geschildert, die Psychologin der AWO von einem liebevollen und innigen Umgang des Vaters mit seiner Tochter berichtet. Im Gegenteil: Ein häufigerer Umgang des Vaters scheitere bislang am Misstrauen der Mutter.

Letztlich sei von einer familiären Gemeinschaft mit dem Kind auszugehen, so dass eine Abschiebung des Vaters in die Türkei den grundrechtlichen Schutz der Familie und das Kindeswohl missachten würde, befand das Gericht. Allein auf die Quantität des Umgangs dürfe bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen aber nicht abgestellt werden. und: Die zusätzliche Übernahme von Betreuungs- und Erziehungsaufgaben sei für das Vorliegen einer familiären Gemeinschaft nicht erforderlich, so das Gericht.

Az.: 2 M 71/22