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Gewaltschutz

Istanbul-Konvention: Verbände fordern nationale Strategie



Die Istanbul-Konvention zum Gewaltschutz für Frauen ist seit fünf Jahren in Kraft. Trotz sich bewährender gesetzlicher Reglungen sei noch immer viel zu tun, mahnen Sozialverbände. Es gelte, die zahlreichen Versäumnisse der vergangenen Jahre nachzuholen.

Berlin (epd). Zum fünften Jahrestag des Inkrafttretens der Istanbul-Konvention am 1. Februar fordern Sozialverbände eine konsequentere Umsetzung des Übereinkommens in Deutschland. Die Gewalt gegen Frauen und Mädchen verharre weiter auf hohem Niveau, kritisierte der Verband mit rund 60 bundesweit aktiven Frauenorganisationen am 31. Januar in Berlin. Die Bundesregierung müsse eine nationale Strategie gegen Gewalt und für die Umsetzung der Konvention des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt erarbeiten, so der Frauenrat, die Fauenhauskoordinierung, die Arbeiterwohlfahrt und der Paritätische.

Am 1. Februar 20218 trat in Deutschland die Istanbul-Konvention in Kraft. Das „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“ ist der umfassendste Menschenrechtsvertrag gegen geschlechtsspezifische Gewalt. Die findet durch zumeist männliche Partner vor allem in den eigenen vier Wänden statt.

Infrastruktur ausbauen und absichern

„Noch immer wird fast jeden dritten Tag eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner ermordet“, betonte die Geschäftsführerin des Deutschen Frauenrats, Anja Nordmann. Damit Frauen und Mädchen frei von Angst und Gewalt leben könnten, sei ein gesellschaftlicher Wandel und dafür das Engagement der gesamten Bundesregierung nötig. Die Strategie gegen Gewalt müsse ehrgeizige Ziele setzen, um die Versäumnisse der vergangenen Jahre aufzuholen.

Zu den nötigen Maßnahmen gehören aus Sicht des Frauenrats unter anderem familien- und aufenthaltsrechtliche Regelungen, die Fortbildung von Justiz, Polizei und Behörden, die Gesundheitsversorgung von Betroffenen, Angebote für Frauen mit Behinderungen sowie die Finanzierung des Hilfesystems. Der Verband fordert überdies eine gesetzliche Regelung unter Beteiligung des Bundes, um die Arbeit der Frauenhäuser und Beratungsstellen und die dafür nötige Infrastruktur abzusichern. Die Einrichtungen seien täglich damit konfrontiert, dass sie Betroffene nicht ausreichend unterstützen könnten, weil es ihnen an Ressourcen mangele.

Qualitätsstandards für Schutz und Beratung festlegen

Auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) hält die Konvention noch immer für nur mangelhaft umgesetzt. Selvi Naidu, Mitglied im AWO-Bundesvorstand: „Der Gewaltschutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt muss oberste Priorität haben.“ Eine verbindliche standardisierte Risikoabschätzung für gewaltbetroffene Frauen, landesweite Qualitätsstandards für Schutz und Beratung und eine solide öffentliche Finanzierung müssten endlich umgesetzt werden. Nach wie vor fehlen nach ihren Angaben bundesweit rund 15.000 Familienplätze in Frauenhäusern, um gewaltbetroffene Frauen und Kinder sofort aufnehmen zu können.

Die AWO fordert, dass in dieser Legislatur eine bundesgesetzliche Grundlage geschaffen wird, um das Recht auf Schutz, Beratung und Hilfe bei geschlechtsspezifischer beziehungsweise häuslicher Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu garantieren.

Umsetzung des Gesetzes noch immer mangelhaft

„Die Istanbul-Konvention ist ein Meilenstein im Gewaltschutz für Frauen und Mädchen“, erklärt Christiane Völz, Vorstandsvorsitzende von Frauenhauskoordinierung. „Aber der Wert eines Gesetzes beweist sich letztlich nicht auf dem Papier, sondern in seiner Umsetzung - und die ist nach fünf Jahren immer noch alles andere als zufriedenstellend.“

Völz rügte, dass es noch immer nur in kleinen Einzelschritten vorangehe. „Was wir brauchen, ist ein kohärentes, strategisches Vorgehen auf Bundesebene - zum Beispiel durch einen bundesweiten Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Gewalt.“

„Die Finanzierung der Hilfestrukturen zur Prävention und zur Verhinderung von sexualisierter und häuslicher Gewalt an Frauen und Mädchen darf nicht länger eine freiwillige Leistung sein“, so der Paritätische. Sie müsse als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden, an der sich alle staatlichen Ebenen zu beteiligen hätten. Für die Einrichtungen und Träger im Paritätischen habe eine einzelfallunabhängige Finanzierung künftig oberste Priorität: „Es bedarf hierfür eines bundesweit einheitlichen Finanzierungsrahmens. Die unterschiedlichen Regelungen der einzelnen Bundesländer müssen dringend der Vergangenheit angehören“, hieß es.

Dirk Baas


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