Frankfurt a.M. (epd). Die Frankfurter Professorin Kathrin Schrader sieht dringenden Handlungsbedarf in Hessen für mehr Schutz vor Gewalt gegen Frauen und Kinder. Im Land habe sich zwar ein Netzwerk von Unterstützungsangeboten gegen häusliche Gewalt, bestehend aus Frauenhäusern und Beratungsstellen, gebildet, „jedoch reichen die vorhandenen Kapazitäten bei weitem nicht aus“, heißt es in einer Mitteilung vom 22. März. Um einen flächendeckenden Schutz für vulnerable Gruppen zu gewährleisten und auch präventiv tätig sein zu können, brauche es mehr Geld.
Mit ihrer Stellungnahme stützt sich die Professorin für Menschen in prekären Lebenslagen in der Sozialen Arbeit auf Ergebnisse ihres Forschungsprojekts „Frauenhäuser und die Implementierung der Istanbul-Konvention - Herausforderungen in Hessen“. Derzeit werde versucht, in enger Zusammenarbeit mit den hessischen Frauenhäusern und Fachleuten aus Politik und Verwaltung ein reales Lagebild der Situation in Hessen zu bekommen. Das Projekt, finanziert im Rahmen der hessischen Forschungskampagne „Forschung für die Praxis“, läuft noch bis August 2021.
Schrader zieht ein erstes Zwischenfazit: Die Frauenhäuser seien aufgrund unzureichender personeller, baulicher und finanzieller Ausstattung nicht in der Lage, alle betroffenen Frauen und Mädchen vor geschlechtsbezogener Gewalt zu schützen. „Das gilt vor allem für die besonders verletzlichen Gruppen von Müttern von Söhnen, die älter als zwölf Jahre sind, Frauen mit Behinderungen oder Beeinträchtigungen, EU-Bürgerinnen, Frauen ohne Aufenthaltstitel, mit Suchtproblemen oder ohne festen Wohnsitz.“
Als positiv hebt die Professorin hervor, dass vor Ort bereits ein starkes Problembewusstsein bezüglich der Umsetzung der Istanbul-Konvention entstanden sei. „Potenzielle Lösungen werden nicht mehr allein, sondern in enger Kooperation entwickelt. Einige Runde Tische in Hessen haben schon aus einer Eigeninitiative heraus mit lokalen Bestands- und Bedarfsanalysen begonnen.“ Jedoch fehlten auch hier die Mittel, um diese Aktivitäten zu verstetigen und zu professionalisieren. Kleine Häuser, die personell und finanziell ohnehin schlecht ausgestattet sind, hätten nicht die Kapazitäten, sich in die unübersichtliche Förderstruktur einzuarbeiten.
Leider sei die Zusammenarbeit vor Ort untereinander und mit allen involvierten Behörden stark von Einzelpersonen und deren Bewusstsein für die Thematik abhängig. „In manchen Landkreisen gibt es schon länger sehr gut funktionierende Kooperationen, in anderen Landkreisen nicht“, so Schrader. „Eine Empfehlung wäre, Institutionen und Berufsgruppen wie zum Beispiel Jugendämter, Familienrichter- und -richterinnen oder Verfahrensbeistände zu sensibilisieren und in die erweiterten Unterstützungsnetzwerke zu integrieren“, rät die Expertin.
Sie wirbt dafür, eine Regelfinanzierung der Frauenhäuser zu schaffen anstatt einer Einzelfall- oder Tagessatzfinanzierung. Zudem müssten ausreichende Frauenhausplätze auch im ländlichen Raum entstehen und eine Landeskoordinierungsstelle zur Istanbul-Konvention aufgebaut werden. Schrader: „Aus unserer Sicht wäre es ein wichtiger Schritt, wenn eine bundesgesetzliche Regelung den gleichwertigen Zugang zum Hilfesystem verbindlich regelt.“