Berlin (epd). Die Finanzierung von gesetzlichen Renten über Erträge aus Kapitalanlagen ist in der Ampel-Koalition umstritten. Der Renten-Experte der Bundestagsfraktion, Markus Kurth, der auch im Haushaltsausschuss sitzt, warnt vor erheblichen Risiken und weist Vorstöße aus der FDP zurück, für die Einzahlungen in den neuen Kapitalstock auch Beitragsgelder einzuplanen. Die Fragen stellte Bettina Markmeyer.
epd sozial: Herr Kurth, die Ampel-Koalition will demnächst die Aktienrente auf den Weg bringen - oder wie es neuerdings heißt, das Generationenkapital. Erträge aus Kapitalanlagen sollen langfristig helfen, die Finanzierung der Renten zu sichern. Sie sind skeptisch. Wie weit gehen die Grünen mit?
Markus Kurth: Der erste Schritt wird jetzt gemacht. Zehn Milliarden Euro sind im Haushalt des Finanzministeriums dafür auch vorgesehen. Aber die FDP will, dass auf diesen Schritt regelmäßig weitere folgen. Für die SPD - und uns Grüne - ist aber klar, dass wir zunächst nur den ersten Schritt gehen. Es ist nicht vereinbart, dass jedes Jahr zehn Milliarden Euro eingezahlt werden.
epd: Was sind Ihre Vorstellungen?
Kurth: Der Haushaltsausschuss wird jedes Jahr schauen, ob es Spielräume gibt, diesen Aktienfonds aufzustocken. Eine garantierte Summe gibt es nicht. Das müssen dann nicht zwangsläufig zehn Milliarden Euro sein. Es kann sein, dass es 500 Millionen Euro sind oder fünf Milliarden. Im Moment würde ich angesichts der Haushaltslage sagen, dass es keine Spielräume gibt.
epd: Zugleich warnen Sie, dass sehr hohe Summen notwendig sind, wenn die Aktienrücklage messbar zur Stabilisierung der Rentenversicherung beitragen soll.
Kurth: Finanzminister Lindner hat selbst vorgerechnet, dass bei einer Rendite von vier Prozent 500 Milliarden Euro in den Kapitalstock eingezahlt werden müssen, um die Rentenbeiträge um einen Beitragssatzpunkt zu drücken. Ich fürchte, dass selbst diese Summe nicht reichen wird. Der Bund muss das Geld am Kapitalmarkt aufnehmen, muss also Zinsen dafür zahlen. Die mindern die Rendite. Derzeit steigen die Zinsen, und weitere Erhöhungen sind angekündigt. Damit steigen auch die Renditeanforderungen.
epd: Und Sie glauben nicht - anders als die Befürworter der Aktienrente -, dass mit dem Kapitalstock für die gesetzliche Rente eine ausreichend hohe Rendite erzielt werden wird?
Kurth: Es heißt von den Befürwortern immer, nach 30 Jahren ist man im Plus. Wir leben aber in einer wirtschaftlichen Umbruchphase. Die Erschütterungen, sozial, gesellschaftlich und wirtschaftlich, sind größer als in der Vergangenheit. Wir können also nicht aus den letzten 30 Jahren auf die nächsten 30 Jahre schließen. Zum anderen sollen bereits nach 15 Jahren die ersten Ausschüttungen erfolgen - 15 Jahre sind aber zu kurz, um bei den zu erwartenden Turbulenzen und Schwankungen am Kapitalmarkt auf der sicheren Seite zu sein.
epd: Die FDP möchte, dass zukünftige Einzahlungen nicht nur vom Bund geleistet werden, sondern auch aus Beitragsmitteln, um die Aktienrente zur dritten Säule der Finanzierung der Renten auszubauen.
Kurth: Dagegen haben wir uns vehement gewehrt. Wenn Beiträge direkt in die Aktienrücklage fließen, dann drückt das womöglich auf das Rentenniveau, zumindest dann, wenn der Beitragssatz nicht steigen soll. Das will ja auch die FDP nicht, weil ein steigender Rentenbeitrag die Lohnnebenkosten erhöht.
epd: Arbeitsminister Hubertus Heil wirbt für das Generationenkapital mit dem Argument, die Erträge aus Wertpapieren würden helfen, ab Mitte der 2030er Jahre den Rentenbeitrag zu stützen. Die geburtenstarken Jahrgänge, die Babyboomer, gehen aber schon in den nächsten Jahren in Rente - und werden die Ausgaben der Rentenversicherung in die Höhe treiben.
Kurth: Der Fonds kann nicht dazu dienen, die Renten der Babyboomer mitzufinanzieren. Eine kapitalgedeckte Altersvorsorge, die erst jetzt aufgesetzt wird, kommt für sie zu spät, für diese Generation insgesamt - genauso wie individuell. Kein Finanzberater würde jemandem mit Mitte 50 oder älter dazu raten, sich mit Aktien einzudecken, um dann mit 67 Jahren etwas davon zu haben.