Leipzig (epd). Vor dem Militärdienst in Syrien geflohene Kriegsdienstverweigerer können auch bei Kriegsverbrechen der syrischen Armee nicht unbedingt mit einer Anerkennung als Flüchtling rechnen. Es müssen schon konkrete und nicht „diffuse“ Tatsachen vorliegen, die eine oppositionelle Haltung zum syrischen Regime belegen, urteilte am 19. Januar das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
In den entschiedenen Fällen ging es um mehrere, in den Jahren 1986 bis 2002 geborene syrische Flüchtlinge, die nicht in der syrischen Armee ihren Militärdienst ableisten wollten. Sie flohen nach Deutschland. Da ihnen bei einer Rückkehr in das Bürgerkriegsland eine Gefahr für Leib und Leben drohte, wurden sie als sogenannte subsidiär Schutzberechtigte anerkannt und damit vor einer Abschiebung geschützt.
Die Kläger wollte jedoch gerichtlich die Anerkennung als reguläre Flüchtlinge erstreiten. In diesem Fall hätten sie zum Beispiel mehr Rechte beim Nachzug von Angehörigen nach Deutschland.
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg erkannte sie als Flüchtlinge an. Die maßgeblichen Tatsachengrundlagen seien zwar „in gewissem Maße diffus“. Warum genau die Kläger geflohen sind, sei nicht genügend geklärt. Dennoch sei bei einer Rückkehr von einer politischen Verfolgung auszugehen. Denn das syrische Regime gehe bei einer Militärdienstentziehung von einer oppositionellen Haltung aus und stufe Betroffene als vermeintliche politische Gegner ein.
Noch vor den OVG-Entscheidungen hatte auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 19. November 2020 geurteilt, dass bei der Verweigerung des Militärdienstes in Syrien die „starke Vermutung“ für politische Verfolgung bestehe. Dies könne dann der Fall sein, wenn der Militärdienst verweigert wurde, um nicht an vom syrischen Militär zu verantwortende Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit teilnehmen zu müssen. Keinen Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung gebe es jedoch, wenn der Militärdienst allein aus Angst vor der Gewalt abgelehnt werde.
Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte nun, dass es bei der Verweigerung des Militärdienstes die „starke Vermutung“ für einen Verfolgungsgrund gebe. Dennoch führe dies noch nicht zur automatischen Flüchtlingsanerkennung. Behörden und Gerichte müssten „in Anbetracht sämtlicher in Rede stehender Umstände die Plausibilität dieser Verknüpfung“ prüfen. Hier habe das OVG die politische Verfolgung nur auf einer „diffusen“ Tatsachengrundlage gestützt. Dies reiche für eine Flüchtlingsanerkennung nicht aus. Die Berliner Richter müssten dies daher erneut prüfen.
Az.: 1 C 1.22 und weitere (Bundesverwaltungsgericht)
Az.: C-238/19 (EuGH)