Berlin (epd). In der Ampelkoalition wächst der Druck, beim Abtreibungsrecht weiter voranzukommen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sprach sich für eine Abschaffung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch aus, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. „Für mich ist das Strafgesetzbuch nicht der richtige Ort, das zu regeln“, sagte Paus am 5. Januar den Zeitungen der Funke-Mediengruppe .
SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, zu dieser Frage eine Kommission einzusetzen. Abgeordnete von FDP und Grüne drängen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) derweil, diese auf den Weg zu bringen.
„Ich erwarte vom Gesundheitsministerium, dass die Einsetzung der Kommission noch zu Beginn des Jahres erfolgt und die Arbeit aufgenommen werden kann, damit in dieser Wahlperiode noch gesetzgeberischer Spielraum bleibt“, sagte die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Katrin Helling-Plahr, den Funke-Zeitungen. Druck gibt es auch aus den Reihen der Grünen-Fraktion: „Diese Kommission muss jetzt schnell berufen werden und ihre Arbeit aufnehmen“, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Maria Klein-Schmeink dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Kommission soll neben der Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs im Strafgesetzbuch auch Möglichkeiten zur Legalisierung von Eizellspenden und Leihmutterschaften prüfen. Die Federführung soll beim Bundesgesundheitsministerium liegen. Eine Sprecherin des Hauses erklärte am Donnerstag auf Nachfrage, dass die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung über die Kommission nicht abgeschlossen sei.
Nach dem inzwischen umstrittenen Paragrafen 218 sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland verboten, bleiben aber unter bestimmten Voraussetzungen bis zur zwölften Schwangerschaftswoche straffrei. Das ist der Fall, wenn das Leben der Mutter durch die Schwangerschaft gefährdet ist, das Kind durch eine Vergewaltigung entstanden ist oder die Frau eine Beratung durchläuft.
Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat bereits im vergangenen Jahr das Werbeverbot für Abtreibungen abgeschafft, das Informationen über Schwangerschaftsabbrüche erschwerte. Eine mögliche weitere Liberalisierung soll vom Ergebnis der Kommission abhängen.
Paus zeigt dafür aber bereits jetzt Sympathien. „Wer anders als die Schwangeren selbst sollte entscheiden, ob sie ein Kind austragen möchten oder können?“, fragte Paus. Es gehe um das Menschenrecht auf reproduktive Selbstbestimmung und um das Recht von Frauen, über ihren Körper zu entscheiden, sagte die Grünen-Politikerin.
Auch ihre Parteikollegin Klein-Schmeink zeigt Sympathien für eine Regelung außerhalb des Strafrechts. „Die Einbettung der Regulierung zum Schwangerschaftsabbruch in das Strafgesetzbuch gefährdet die Sicherstellung der medizinischen Versorgung in diesem Bereich“, erklärte sie. Für Medizinerinnen und Mediziner sei es äußerst schwierig, wenn ein notwendiges Behandlungsangebot als strafbar gelte und lediglich unter den gesetzlichen Voraussetzungen straflos gestellt werde.
Die FDP-Rechtspolitikerin Helling-Plahr sieht das anders. Der Paragraf 218 sei „ein guter Kompromiss“. Einem Aufweichen stehe sie skeptisch gegenüber. Die Vorsitzende der Jungen Liberalen, Franziska Brandmann, schlug vor, die „Logik des Gesetzes“ zu verkehren. „Wir wollen, dass Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich straffrei ist, nur bestimmte Fälle strafbar sind“, sagte Brandmann den Funke-Zeitungen.
Aus der SPD-Fraktion äußerte sich am Donnerstag auch auf Nachfrage niemand zu dem Thema. Aus der Union kam harsche Kritik an Paus. Deren Vorstoß sei „ein Dammbruch im Verständnis vom menschlichen Leben“, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dorothee Bär (CSU). Auch das ungeborene Kind habe ein grundrechtlich geschütztes Lebensrecht.
Paus erklärte darüber hinaus, dass die Koalition „mit Hochdruck“ daran arbeite, sogenannte Gehsteigbelästigungen von schwangeren Frauen zu beenden. Gemeint sind übergriffige Demonstrationen von Abtreibungsgegnern vor Beratungsstellen. Paus plant nach eigenen Worten eine Erweiterung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes, „um einen ungehinderten Zugang zu den Beratungsstellen ausdrücklich gesetzlich vorzuschreiben“, sagte sie Ministerin. Angedacht sei auch die Schaffung eines neuen Tatbestandes im Bereich der Ordnungswidrigkeiten.