Regensburg (epd). Ein Vater fällt mit 48 Jahren bei Gartenarbeiten plötzlich tot um - Herzinfarkt. Für seine vier kleinen Kinder geht von heute auf morgen ein Stück Welt verloren. Die Mutter steht allein da, muss Kinder und Haushalt stemmen, arbeiten gehen und die Restschuld für das Haus abbezahlen. In Deutschland leben laut Statistischem Bundesamt rund 800.000 Kinder und Jugendliche, die einen Elternteil oder beide Eltern verloren haben. Wie sollen diese Kinder in die Normalität zurückfinden, ohne Schaden zu nehmen?
Die Zeiten, in denen Waisenkinder automatisch in Heimen oder auf der Straße landen, gehören zwar längst der Vergangenheit an. Dafür gibt es in Bayern heilpädagogische Wohngruppen oder andere soziale Sicherungssysteme. Doch die staatliche Absicherung reicht meist nicht aus, um diesen Kindern und Jugendlichen einen fairen Start ins Leben zu ermöglichen. An diesem Punkt setzt die Dörnberg’sche Waisenfondsstiftung in Regensburg an.
Gegründet wurde sie 1897 von Ernst Graf von Dörnberg. Die evangelisch geprägte Stiftung begleitet Kinder vom sechsten Lebensjahr an, manchmal auch darunter, bis zum Ende der Ausbildung. Immer, wenn eine besondere Anschaffung ansteht, steht sie zur Verfügung. „Das kann ein neuer Rechner sein oder auch der Führerschein für ein Kind“, sagt der Regensburger evangelische Regionalbischof Klaus Stiegler, der qua Amt Stiftungsvorsitzender ist.
2022 half die Stiftung 136 Waisenkindern aus 60 Familien. Jüngst waren es Hilfen von 125.800 Euro, die die Stiftung ausschüttete. Pro Kind ergab sich eine Unterstützung zwischen 600 und 3.600 Euro.
Erwiesen ist, dass Kinder, die in jungen Jahren einen Elternteil verlieren, oftmals eine schlechtere Allgemein- und Ausbildung haben. Sie fangen schon eher mit einer Berufsausbildung an und müssen finanziell früher für sich sorgen.
Damit es nicht so weit kommen muss, begleitet die Stiftung Waisen oder Halbwaisen oft über Jahre - wie den kleinen Jungen, der erst nach dem Tod des Vaters geboren wurde. Dieser war auf dem Heimweg von einem Auto angefahren und tödlich verletzt worden. Die Stiftung unterstützte die Mutter bei Kita-Beiträgen, beim Schulbedarf, gab das Geld für den ersten Schreibtisch oder das Fahrrad, berichtet Michael Krauß, der Geschäftsführer der Stiftung. Seit 25 Jahren kümmert er sich nebenberuflich um die Waisenfondsstiftung - auch noch im Ruhestand: „Das Schicksal der Waisenkinder hat mich immer sehr berührt“, sagt er. Kein Kind solle verloren gehen.
Oftmals bedeutet der Verlust des Elternteils auch eine soziale Ausgrenzung. Die verwitweten Elternteile werden ständig daran erinnert, dass in ihrem Familienleben vieles anders ist als bei Gleichaltrigen. Der Verlust gehört fortan zur Biografie, beim Abholen im Kindergarten, beim Fußballspiel, beim Elternabend. Die Not spielt sich jedoch im Verborgenen ab.
Selten gehen die Betroffenen damit an die Öffentlichkeit. Deshalb arbeitet die Stiftung mit den Diakonischen Werken und Kirchengemeinden zusammen, die einen Blick für die leidvollen Familiengeschichten haben. „Wir selbst haben nicht die organisatorischen Fähigkeiten, die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort zu überprüfen“, sagt Stiegler. Die Gelder würden deshalb in der Regel an das Diakonische Werk oder die Pfarrämter, vereinzelt auch an die Landratsämter überwiesen. Der Verwaltungsaufwand sei dadurch gering, sodass die Not schnell und effektiv gelindert werden könne.
Bernd Kritzenthaler ist Pfarrer in Regenstauf. Er hat schon viele Familien in solchen Situationen begleitet. Die Not sei von heute auf morgen da, erzählt er. Ämter reagierten oft in unwürdiger Weise darauf, verlangten für Anträge Begründungen bis ins letzte Detail. Die Pfarrämter versuchten, das anders zu regeln. „Es sind Dinge, die sich die Kinder sonst vielleicht nicht leisten könnten, die aber in dieser besonderen Situation Stabilität und Normalität vermitteln können“, sagt der Pfarrer.