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"Putzroboter sind erst der Anfang"




Der Senior Martin Rudat mit Virtual-Reality-Brille und anderen digitalen Helfern
epd-bild/Harald Koch
Künstliche Intelligenz und Roboter sollen künftig das Wohnen im Alter erleichtern. In einer Musterwohnung in Hannover können sich Besucher vom Nutzen neuer Geräte selbst überzeugen. Doch das "smarte Wohnen" weckt auch Ängste.

Hannover (epd). Noch hat Jutta Heinrich (76) den Überblick, welche Tabletten sie wann einnehmen muss. „Doch bald werde ich mir auch so einen automatischen Tablettendosierer kaufen“, sagt die Rentnerin und zeigt auf das Behältnis vor sich auf dem Tisch. Was äußerlich wie ein Spielzeugufo anmutet, erinnert mit seinen radial angeordneten Tablettenfächern im Innern an eine aufgeschnittene Orange. Wenn die Zeit zur Einnahme gekommen ist, piepst das Gerät und gibt die jeweiligen Medikamente frei.

Versuchslabor für „smartes“ Wohnen im Alter

Diesen und Dutzende andere digitale Alltagshelfer können Seniorinnen und Senioren in einer 2017 von der Stadt Hannover eingerichteten Musterwohnung ausprobieren. Zudem ist der Ort seit Frühjahr 2022 Versuchslabor für „smartes“, also computerisiertes Wohnen im Alter im Rahmen des vom Bundesfamilienministerium geförderten Projekts „Digital souverän mit künstlicher Intelligenz“ der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen. Das Projekt soll zeigen, wie moderne Technik selbstbestimmtes Wohnen erleichtern kann, wenn die körperlichen und geistigen Kräfte abnehmen.

Etwa beim Fensterputzen: Wie ein Wels hat sich der Putzroboter am Fenster festgesaugt. Während sich das Gerät langsam über die Scheibe bewegt, fährt ein vollautomatischer Staubsauger auf dem Fußboden emsig hin und her. „Digitale Geräte zur Unterstützung im Haushalt haben sicher den größten Alltagsnutzen“, sagt der Projektmanager für Digitalisierung im Fachbereich Senioren der niedersächsischen Landeshauptstadt, Patrick Ney. „Putzroboter sind erst der Anfang. Die Technik entwickelt sich rasant. Daher möchten wir wissen, wovon ältere Menschen wirklich profitieren“, sagt der Altersforscher.

Auch wo Technik Leben rettet, liegt der Vorteil auf der Hand, etwa wenn mobile EKG-Geräte oder an der Zimmerdecke angebrachte Sturzsensoren bei Gefahr Alarm schlagen. Praktisch scheint auch ein Blindenstock, der mit GPS und Ultraschallsensor sicher um Hindernisse herum zum Ziel navigiert. Technisch simpler, aber ebenfalls nützlich sind die automatische Abschaltvorrichtung der Herdplatte und elektrische Leselupen. „Das ist eine häufig nachgefragte Hilfe. Diese Lesehilfen vergrößern stärker als klassische Lupen und können außerdem Kontraste erhöhen“, erläutert Ney.

Gewöhnung an digitale Technik

Bei anderen Geräten sind die Vorteile nicht so deutlich. „Alexa, erzähle mir von den neuesten Nachrichten“, spricht der Rentner Martin Rudat (79) in eine „Amazon Echo Show“. Mit dem Gerät mit Bildschirm und Lautsprecher können Nutzer per Sprachbefehl etwa auch die Zimmerbeleuchtung steuern oder Musik erklingen lassen. Alexa spielt die Nachrichten zwar ab, jedoch unhörbar leise. Erst mit Neys Hilfe schafft es Rudat, die Lautstärke zu erhöhen.

Sich an die digitale Technik zu gewöhnen, verlangt älteren Nutzern mitunter viel Geduld ab. „Menschen über 80 Jahre sind bis zu 60 Prozent nicht online und damit haben sie natürlich kein Interesse an einer Sprachsteuerung oder an einer smarten Lichtsteuerung“, erläutert Ney. „Aber das ändert sich langsam.“ So hätten seit Beginn der Corona-Pandemie viele ältere Menschen Videotelefonie für sich entdeckt. Als Gesprächspartner könnten in Zukunft vielleicht sogar Roboter dienen, so wie es Amazons Alexa in Ansätzen schon tut. Viele Menschen fühlten sich im Umgang mit solcher Technik jedoch „ein Stück weit entmenschlicht und entfremdet“, gibt Ney zu bedenken.

Datenschutz „ein Stück weit fraglich“

Auch die Vorstellung, durch smarte Wohntechnik per Internet ständig mit einer Datenwolke (Cloud) verbunden zu sein, finden viele unheimlich. „Ja, man muss die Gefahren sehen“, sagt Ney. In Europa sei der Datenschutz durch die Datenschutzgrundverordnung zwar klar geregelt. Die meisten Hersteller Cloud-basierter Wohntechnik hätten ihren Sitz jedoch in Amerika und Asien. Was mit den Daten dort geschehe, sei „ein Stück weit immer fraglich“.

Jutta Heinrich freut sich trotzdem auf den technischen Fortschritt: „Ich kann mir gut vorstellen, dass ein Roboter mir die Medikamente bringt, wenn ich bettlägerig bin“, sagt die Rentnerin und nimmt in einem Sessel Platz, auf dem Ney zuvor ein Aufstehkissen platziert hat. Auf Knopfdruck hebt sich die Sitzunterlage langsam empor, bis das Aufstehen kaum noch Mühe bereitet.

Danach lässt sich die Rentnerin von Ney eine Virtual-Reality-Brille aufsetzen und zwei Controller in die Hände drücken. Sogleich findet sie sich auf einem Minigolfplatz in der Südsee wieder. „Ich sehe eine wunderschöne Landschaft mit Palmen, Felsen und einem blauen Meer“, beschreibt Heinrich voller Begeisterung die Kulisse. Aber nach dem virtuellen Ball muss sie lange suchen. So findet sie das Spiel am Ende doch „etwas gewöhnungsbedürftig“.

Urs Mundt