Peiting/Herzogsägmühle (epd). Nach mehr als 30 Jahren im Dienst der Diakonie Herzogsägmühle ist Wilfried Knorr jetzt im Ruhestand. Der Diplom-Pädagoge begann dort 1989 als Leiter der Jugendhilfe - nach zwölf Jahren als Berufsoffizier der Luftwaffe. 2004 übernahm er die Leitung des Diakoniedorfs und setzte unter anderem bei den Themen Inklusion und Gemeinwohl Akzente.
Eine der sichtbarsten Veränderungen manifestiert sich - neben zahlreichen Um- und Neubauten - in einem großen gelben Ortsschild: Schon lange gilt Herzogsägmühle nicht mehr nur als Werksgelände, sondern als Ortsteil der Marktgemeinde Peiting. Mittlerweile können auch Auswärtige in Herzogsägmühle Bauland erwerben und sich niederlassen. „Inverse Inklusion“ hat Knorr das Prinzip genannt: Nicht die hilfeberechtigten Menschen müssen sich einfügen, sondern Vertreter der Mehrheitsgesellschaft werden Teil des diakonischen Lebens.
Auch die Sprache im Diakoniedorf hat Wilfried Knorr, Hobby-Kabarettist und leidenschaftlicher Schnellredner, mit der Zeit verändert. Aus „Klienten“ oder „Menschen mit Handicaps“ wurden „Hilfeberechtigte in schwierigen Lebenslagen“. Das macht zweierlei deutlich: Wer in einer Herzogsägmühler Einrichtung lebt, lernt oder arbeitet, hat ein Recht auf diese staatlich geförderte Hilfe. Und seine Situation - ob Sucht, Arbeitslosigkeit oder Behinderung - ist nicht selbstverschuldet, sondern könnte jeden im Laufe seines Lebens einmal treffen.
Zudem versuchte der 63-Jährige in den letzten Jahren, mit „Nachhaltigkeit“ für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Auf den saftigen Wiesen der Herzogsägmühler Landwirtschaft grasen Angus-Rinder, die nach den strengen Bio-Kriterien von „Naturland“ zur Fleischerzeugung gehalten werden. Während die teuren Steaks an betuchte Kundschaft verkauft würden, müsse Herzogsägmühle für seine Bewohner aber günstige Supermarktware ordern - eine „absurde Situation“, kritisierte Knorr einmal im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Deshalb lautet seine Forderung: Statt „sparsam“ sollte im Gesetz zur Refinanzierung der sozialen Arbeit „nachhaltig“ stehen. Dann kämen im Ergebnis nicht mehr Billig-Produkte zum Zug, sondern solche, bei denen Nachhaltigkeit, Regionalität, Fairtrade oder ökologische Gesichtspunkte im Vordergrund stünden.
Damit landet man automatisch beim Lieblingsthema von Knorr: der Gemeinwohlökonomie, kurz GWÖ, die ein alternatives, sozial gerechteres Wirtschaftsmodell zum Kapitalismus vorschlägt. Seit 2017 ist die Diakonie Herzogsägmühle mit einer GWÖ-Bilanz ausgestattet, 2020 folgte die zweite Runde. „Die Gemeinwohlökonomie setzt christliche Kultur glaubhaft in ethisches Handeln um“, so Knorr.
Knorrs Traum, dass alle kirchlichen Einrichtungen gemeinwohlbilanziert sind, müssen jetzt andere voranbringen. Sein Nachfolger steht mit Andreas Kurz bereits fest. Kurz ist seit mehr als 30 Jahren bei der Diakonie Herzogsägmühle und hat dort schon mehrere Führungspositionen bekleidet.