Karlsruhe (epd). Ein Geschenk muss aus freien Stücken kommen. Wird ein 95-jähriger Mann von seinem Sohn zu einer Schenkung gedrängt und empfindet der Schenker dieses Vorgehen als eine „bedrohlich empfundene Zwangslage“, kann der Schenkungsvertrag sittenwidrig sein, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am 22. Dezember veröffentlichten Urteil. Die Karlsruher Richter verwiesen den Rechtsstreit zur weiteren Aufklärung an das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main zurück.
Geklagt hatte ein heute 100-Jähriger, der vor fünf Jahren seinem Sohn ein Einfamilienhaus sowie seinen beiden Enkeln Wertpapiere im Wert von jeweils 219.000 Euro geschenkt hatte. Für den Abschluss des Schenkungsvertrages brachte der Sohn den Vater zum Notar. Dort ist nach Angaben des 100-Jährigen ihm erstmals der Inhalt des Vertrages bekanntgemacht worden.
Unmittelbar danach sollten die Wertpapiere übertragen werden. Der Bankmitarbeiter hatte dies wegen des seltsamen Verhaltens des hochbetagten Mannes abgelehnt. Der erkannte zwischenzeitlich die Schenkung als Fehler an und focht den Schenkungsvertrag an. Das OLG hielt die Schenkung für rechtmäßig. Eine erhebliche Willensschwäche des Schenkers sei nicht ausgenutzt worden. Der Mann sei zudem geschäftsfähig gewesen.
Der BGH verwies den Fall zurück. Eine Sittenwidrigkeit der Schenkung sei möglich. So sei das OLG nicht darauf eingegangen, dass der damals 95-jährige Kläger einen Tag vor der Schenkung von seinem Sohn „bearbeitet“ wurde und er die Situation als eine „bedrohlich empfundene Zwangslage“ angesehen habe, aus der er offenbar nur mit seiner Vertragsunterschrift entkommen konnte. Ein Indiz für solch eine Zwangslage könne das seltsame Verhalten des Schenkers in der Bank gewesen sein.
Das OLG müsse daher noch einmal prüfen, ob die Schenkungsverträge auf einer vom Kläger als bedrohlich empfundenen Zwangslage beruhen, die der Sohn bewusst herbeigeführt hat.
Az.: X ZR 40/20