Karlsruhe (epd). Staatliche Arbeitgeber können sich in Arbeitsrechtsstreitigkeiten nicht auf die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie oder andere Grundrechte berufen. Denn das wäre mit dem „vorrangigen Sinn der Grundrechte, den Schutz der Einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu gewährleisten“, nicht vereinbar, stellte das Bundesverfassungsgericht in einem am 21. Dezember veröffentlichten Beschluss klar. Die Karlsruher Richter wiesen damit die Verfassungsbeschwerde des Landes Berlin gegen ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) zur tarifvertraglichen Höhergruppierung von Servicekräften des Amtsgerichts Berlin ab.
Im konkreten Fall ging es um eine beim Amtsgericht angestellte Frau, die wegen eines Wechsels ihres Aufgabenbereichs eine höhere tarifliche Eingruppierung und damit mehr Geld forderte. Das BAG gab ihr mit Urteil vom 9. September 2020 recht. Das Land Berlin sowie eine Arbeitgebervereinigung legten gegen das Urteil Verfassungsbeschwerde ein.
Doch das Bundesverfassungsgericht wies diese als unzulässig ab. Das Land sei gar nicht beschwerdeberechtigt. Denn die öffentliche Hand könne sich gar nicht auf die im Grundgesetz verankerte Tarifautonomie oder andere Grundrechte berufen. Grundrechte sollen Bürgerinnen und Bürger vor Eingriffen der staatlichen Gewalt schützen.
Könne sich die öffentliche Hand auf Grundrechte berufen, wäre dies mit dem vorrangigen Sinn der Grundrechte, den Schutz der Einzelnen vor Eingriffen der staatlichen Gewalt zu gewährleisten, nicht mehr zu vereinbaren. Sonst bestehe die Gefahr, dass ein Grundrechtsschutz der öffentlichen Hand sich letztlich gegen die Bürgerinnen und Bürger wendet. Anderes gelte nur bei eigenständigen, vom Staat unabhängigen oder distanzierten Einrichtungen wie etwa Rundfunkanstalten.
Die Verfassungsbeschwerde der Arbeitgebervereinigung war ebenfalls erfolglos, da diese im Verfahren gar nicht Partei oder Beteiligte war.
Az.: 1 BvR 382/21, Az.: 4 AZR 195/20