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Armut

Sozialausweise: "Besser als nichts"




Kultursozialticket der Stadt Augsburg
epd-bild/Annette Zöpf
Arme Menschen können in vielen Städten Sozialausweise beantragen. Zeigen sie diese Dokumente etwa im Schwimmbad oder im Theater vor, müssen sie weniger Eintrittsgeld zahlen. Was sinnvoll klingt, nützt der Zielgruppe aber möglicherweise nur wenig.

Bremen (epd). Zweieinhalb Stunden schwimmen kostet im Bremer Südbad 5,70 Euro für einen Erwachsenen. Gut einen Euro billiger ist der Eintritt für Arbeitslose, die an der Kasse den sogenannten Bremen-Pass vorzeigen. Mit dem Ausweis will die Stadt Bremen Bürgerinnen und Bürgern mit wenig Geld ermöglichen, am sozialen und kulturellen Leben teilzunehmen. Mit dem Bremen-Pass erhalten sie Ermäßigungen bei Volkshochschulkursen oder beim Eintritt ins Theater. Auch andere Städte bieten Arbeitslosen und Einkommensschwachen unterschiedliche Vergünstigungen an. Neu ist das Angebot nicht, vielerorts gibt es das bereits seit Jahren. Ob es der Zielgruppe allerdings nützt, ist fraglich.

Über die sogenannten Sozialausweise ist wenig bekannt. Nicht einmal eine Liste mit Städten und Gemeinden, die einen Ausweis wie den Bremen-Pass anbieten, gibt es. Weitere Forschung? Fehlanzeige. Das hat eine Abfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei den mehreren Forschungsinstituten sowie dem Städte- und Gemeindebund ergeben.

NAK: Bund und Länder müssen mehr tun gegen Armut

Die Nationale Armutskonferenz (NAK), ein Zusammenschluss von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden, befürwortet Sozialausweise grundsätzlich: „Wer kaum Geld für das Lebensnotwendige hat, für den ist ein Besuch von Schwimmbad, Kino, Theater und anderen Freizeit- und Kultureinrichtungen sonst unmöglich.“ Das Bündnis mahnt aber auch: „Bund, Länder und Kommunen müssen und können mehr tun, um Einkommensarme zu unterstützen.“

Der Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge hält nur wenig von den Sozialausweisen. Sie könnten das Leben armer Menschen zwar ein wenig erträglicher machen und seien „sicher besser als nichts“. Es handele sich dabei aber um eine veraltete Form der Armutsbekämpfung, die an die im Mittelalter übliche Gabe von Almosen erinnere. An der Eintrittskasse erst einen Ausweis vorzeigen zu müssen, wirke für die Betroffenen stigmatisierend, betont er. „Wenn ein Kind bemerkt, wie der Vater eines anderen Kindes an der Schwimmbadkasse den Sozialausweis zeigt, dann bekommt der Vater zwar ein paar Euro erlassen, für das Kind ist es aber zutiefst erniedrigend.“ Statt Armen Sozialausweise auszustellen, fordert Butterwegge, Arbeitslose finanziell so auszustatten, dass auch sie die üblichen Eintrittspreise zahlen können.

Zahl der Anspruchsberechtigten unbekannt

Wie viele Berechtigte tatsächlich einen Sozialausweis besitzen, lässt sich nicht sagen. Bremen, Augsburg, Worms und Erfurt - Städte, die ein solches Ticket anbieten - erheben dazu keine Daten. Auf Nachfrage teilte die Stadt Erfurt mit, dass zu einem Stichtag Ende November rund 13.600 Menschen einen gültigen Sozialausweis besaßen. Die Anzahl aller Berechtigten könne nicht ermittelt werden, hieß es.

In Worms sind laut der Stadtverwaltung aktuell rund 5.600 Haushalte anspruchsberechtigt. Bis Ende November hat die Stadt dieses Jahr allerdings nur 737 Sozialausweise ausgestellt. Die geringe Nachfrage führt die Stadt auf die Corona-Einschränkungen zurück. Zusätzlich habe das beliebte 9-Euro-Ticket-Angebot die Nachfrage nach dem Sozialausweis, der auch oft Vergünstigungen für den Nahverkehr beinhaltet, geschmälert, sagte ein Sprecher.

Preise bleiben trotz Rabatt meist hoch

Ob der Bremen-Pass armen Menschen mehr Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, ist offen. Denn auch mit Rabatt kostet der Schwimmbadbesuch noch immer 4,60 Euro Eintritt, ein Besuch in der Kunsthalle sieben Euro. Angesichts von 449 Euro, die einem alleinstehenden Hartz-IV-Empfänger aktuell pro Monat zur Verfügung stehen, können sich viele von ihnen den Schwimmbadbesuch wahrscheinlich trotzdem nicht leisten.

Besser sieht die Lage etwa in Augsburg aus: Dort zahlen Ausweisinhaber vom „Kultursozialticket“ für einen Museumsbesuch lediglich eine „symbolische Eigenbeteiligung“ von einem Euro.

Patricia Averesch