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Armut

Tierisch große Not: Tiertafeln helfen Mensch und Tier




Tiertafel in Hamburg
epd-bild/Philipp Reiss
Corona-Krise, Energiepreise und jetzt auch noch höhere Tierarztrechnungen: Viele Menschen haben Probleme, die Kosten für ihre Haustiere allein zu stemmen. Nicht nur bei der Hamburger Tiertafel ist die Nachfrage so hoch wie nie zuvor.

Hamburg (epd). Kara Schott hat ein Herz für Tiere, schon immer. „Es ist in meiner Familie Tradition, sich um Tiere und Menschen zu kümmern“, sagt die 40-Jährige. Die ehrenamtliche Leiterin der Hamburger Tiertafel hat ihre roten Haare zum Zopf gebunden, wuchtet eine Palette Hunde-Dosenfutter auf den Tisch. Hier stapeln sich bereits Tüten mit Katzenfutter, Leckerlis, Schonkost, Hundetee. „Leckerlis sind immer der Renner“, sagt die Kosmetikerin und grinst. In der aktuellen Krise haben immer mehr Menschen Probleme, die Kosten für ihre geliebten Haustiere zu stemmen. Bundesweit helfen Tiertafeln mit Sachspenden, damit Mensch und Tier zusammenbleiben können.

Alle zwei Wochen verteilen Schott und knapp 15 ehrenamtliche Helfer und Helferinnen alles, was Hund, Katze und Nager benötigen - von Futter, Hundeleinen, Transportboxen bis hin zu Spielzeug oder Schlafkörbchen. „Durch Corona und Geflüchtete aus der Ukraine brauchen wir deutlich mehr Futter“, sagt Schott, die seit 17 Jahren bei der Tiertafel arbeitet. Zu den Ausgabeterminen kommen zwischen 80 und 120 Menschen. Es werden immer mehr, denn nach pandemiebedingten Kündigungen, Kurzarbeit und steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen sind nun auch die Behandlungen beim Tierarzt teuer geworden: Seit 22. November ist eine neue Gebührenordnung mit teils deutlich höheren Preisen in Kraft.

Tierärztliche Hilfen und Spezialfutter

Für viele Tafel-Besucher war der Tierarzt schon vorher zu teuer, deshalb gibt es hier auch tierärztliche Hilfe und Spezialfutter. „Besonders ältere und allergische Tiere sind auf abgestimmtes Futter angewiesen“, erklärt Schott. Gerade kniet Tierheilpraktiker Karsten Höhne auf der Matte und behandelt die Gelenkprobleme eines Chihuahua-Hundes mit Laserakupunktur, Mike Albertsen vom „Tier-Notruf.de“ tupft die Wunde eines großen Hundes ab.

Schätzungsweise 1.000 Tiere versorgt die ehrenamtliche Hamburger Tiertafel aktuell. Für Geflüchtete aus der Ukraine findet parallel eine separate Ausgabe statt, um im Winter die Wartezeit für alle so kurz wie möglich zu halten. Auch andere Tiertafeln haben alle Hände voll zu tun: In Berlin hat sich die Nachfrage durch ukrainische Geflüchtete mehr als verdoppelt, 500 Tierhalter benötigten bis Juli eine Erstausstattung, 250 kommen regelmäßig vorbei.

In München stieß die Tiertafel bereits an ihre Grenzen. „Wir waren vorher schon am Limit und dann kamen 130 ukrainische Familien mit ihren Haustieren dazu“, sagt ihre Leiterin Andrea de Mello. Seit Juni gibt es in München einen Aufnahme-Stopp mit Warteliste. „Aktuell haben wir vermehrt Anfragen von Menschen, die Arbeit haben“, erzählt de Mello. Durch enorm gestiegene Lebenshaltungskosten könnten Familien plötzlich anfallende Tierarztkosten oder teures Spezialfutter „einfach nicht mehr auffangen“.

„Haustier oft der letzte Freund, den es gibt“

Auch Kara Schott kennt viele traurige Geschichten. „Was ich hier miterlebe, berührt mich schon sehr“, sagt sie. Manche verloren ihren Job, sind arbeitsunfähig, obdachlos oder leben von Hartz IV. Oft haben sich Freunde und Familie abgewendet. Ohne ihren Hund würden einige gar nicht aufstehen, aber Waldi müsse nun mal raus: „Das Haustier ist oft der letzte Freund, den es gibt“, weiß Schott. Manchmal ist die Tiertafel auch nur eine Zwischenstadtion. „Wer sich keine Sorgen mehr um sein Tier machen muss, kann für sich nach vorn gucken und findet dann vielleicht auch einen Job“, sagt Schott.

Andere wie Gabriela Kochbatir haben bereits ihr Leben lang gearbeitet. „Meine Rente reicht einfach nicht“, erzählt die Altenpflegerin, die ehrenamtlich Demenzkranke betreut. Sie benötigt Spezialfutter für ihren zehnjährigen Kater Mikesch. „Er ist mein Ein und Alles“, sagt sie und lacht. Dankbar steckt sie die Futterdosen in ihren Beutel. Hilfe von der Tiertafel bekommt man grundsätzlich nur, wenn das Tier schon vor der Notlage da war. „Wir wollen keine unüberlegten Neuanschaffungen unterstützen“, erklärt Schott entschieden.

Verantwortungslos findet die engagierte Tierfreundin auch, wie teilweise mit Tierfutter umgegangen werde. Die Tiertafel ist auf Spenden angewiesen und braucht dringend Futter. Hier könnten Hersteller und Fachhändler nicht nur an Weihnachten deutlich mehr tun: „Es wird immer schwieriger, an Spenden zu kommen“, sagt Schott. Auf der anderen Seite werde Futter, das gerade abgelaufen sei, einfach vernichtet. Schott: „Tierfutter gehört nicht in den Müll.“

Evelyn Sander