Kassel (epd). Krankenkassen dürfen nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) für die Kostenübernahme neuer Behandlungsmethoden nicht zu hohe Anforderungen stellen. Auch wenn die neue Methode noch nicht dem medizinischen Standard entspricht, könne bei Vorliegen erster vielversprechender Studien vom Potenzial eines Behandlungserfolgs ausgegangen werden, so dass das Krankenhaus Anspruch auf Kostenerstattung haben kann, urteilten am 13. Dezember die Kasseler Richter. Es sei für die Kostenübernahme nicht zwingend erforderlich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) von Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen oder ein unabhängiges Institut die neue Behandlungsmethode bewertet hat.
Im konkreten Fall hatte das Rhein-Maas-Klinikum in Aachen 2016 einen schwer lungenkranken Mann mit einer neuen, noch nicht dem medizinischen Standard entsprechenden Therapie behandelt. Dem Mann, der unter anderem an der Lungenkrankheit COPD litt, wurden als individueller Heilversuch Metallspiralen endoskopisch in die Lunge implantiert, sogenannte Coils. So sollten die überblähten Lungenbereiche verringert werden.
Die AOK Rheinland/Hamburg lehnte die Übernahme der Kosten in Höhe von 23.000 Euro ab. Bei dem Mann hätte mit der chirurgischen Entfernung von Lungengewebe eine anerkannte medizinische Behandlung zur Verfügung gestanden. Zum Zeitpunkt der Behandlung gehörte der Einsatz der Coils nicht zum medizinischen Standard. Erst ab März 2019 wurde die Therapie für einige Patienten vom G-BA empfohlen.
Zwischenzeitlich hatte das BSG am 25. März 2021 entschieden, dass bei schwer kranken Patienten, für die keine angemessene Standardbehandlung zur Verfügung steht, auch neue Behandlungsformen, die Potenzial für einen Behandlungserfolg haben, auf Krankenkassenkosten bezahlt werden können. Die AOK war der Auffassung, dass hier wegen einer fehlenden Bewertung des G-BA oder eines unabhängigen Instituts nicht von der Chance eines Behandlungserfolgs auszugehen sei.
Doch solch eine Bewertung des G-BA ist nicht zwingend erforderlich, urteilte das BSG. Veranlasse der G-BA eine Erprobung der Methode, sei in der Regel von einem ausreichenden Behandlungspotenzial auszugehen. Für eine Kostenübernahme müsse es sich um eine schwere Erkrankung beim Patienten handeln und es dürfe keine medizinische Standardbehandlung mehr infrage kommen.
Den konkreten Fall verwiesen die Kasseler Richter an das Landessozialgericht Essen zurück.
Az.: B f1 KR 25/20 R