Erfurt (epd). Die Möglichkeit einer vorzeitigen Altersrente für besonders langjährig Versicherte kann bei der Insolvenz eines Unternehmens und daraus folgenden Kündigungen für den Beschäftigten nachteilig ausgelegt werden. Wird wegen beabsichtigter Kündigungen eine Sozialauswahl vorgenommen, sind Beschäftigte mit zunehmenden Alter zwar grundsätzlich stärker schutzbedürftig, nicht aber, wenn sie vorzeitig abschlagsfrei in Rente gehen oder innerhalb von zwei Jahren die reguläre Altersrente beziehen können, urteilte am 8. Dezember das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt.
Anlass des Rechtsstreits war die Insolvenz eines Unternehmens der Stahlindustrie. Der Insolvenzverwalter kündigte 61 von 396 Arbeitnehmern, darunter auch die Klägerin zum 30. Juni 2020. Ihren Einwand, dass sie angesichts ihres Alters besonders schutzbedürftig sei und vielmehr jüngere Beschäftigte hätten gekündigt werden müssen, wies der Insolvenzverwalter ab. Sie habe als einzige die Möglichkeit, ab Dezember 2020 als besonders langjährig Versicherte abschlagsfrei in Rente zu gehen. Daher sei der schwerbehinderten Frau die Kündigung zuzumuten.
Als nach erneuten Verhandlungen mit dem Betriebsrat eine Betriebsstilllegung vereinbart wurde, wurde fast allen Beschäftigten gekündigt, darunter vorsorglich auch noch einmal der Klägerin. Diese beanstandete, dass bei der zweiten Kündigungswelle keine Sozialauswahl vorgenommen wurde.
Das BAG gab dem Insolvenzverwalter teilweise recht. Es sei nicht zu beanstanden, dass Arbeitnehmer, die vorzeitig eine Rente für besonders langjährig Versicherte in naher Zukunft erhalten können, bei der Sozialauswahl schlechter behandelt werden. Allerdings habe hier der Insolvenzverwalter bei der vorgenommenen Sozialauswahl nicht die Betriebszugehörigkeiten und Unterhaltspflichten bei der Klägerin berücksichtigt, so dass die Kündigung unwirksam sei. Wirksam sei jedoch die zweite Kündigung infolge der beschlossenen Betriebsstilllegung, so das BAG.
Az.: 6 AZR 31/22