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ConSozial: Wertschätzung für soziale Berufe gefordert




Maja Göpel
epd-bild/Hans-Jürgen Wege
Die Sozialbranche befasst sich bei der Messe ConSozial in Nürnberg mit dem Thema Nachhaltigkeit, vermisst aber verlässliche Rahmenbedingungen. Bestsellerautorin Maja Göpel forderte ein "Netzwerk des Miteinanderlebens" statt rücksichtsloser Ausbeutung der Natur.

Nürnberg (epd). Das Motto „Ökologisch denken, sozial handeln, Zusammenhalt nachhaltig stärken“ ist bereits am ersten Tag der Nürnberger Messe ConSozial für die Sozialwirtschaft ausgiebig beleuchtet worden. „Die Verbindung von Ökologie und Sozialem ist die Fortschrittsagenda des 21. Jahrhunderts“, sagte zum Auftakt die Berliner Gesellschaftswissenschaftlerin Maja Göpel. Angesichts der vielfältigen Probleme bei Fachkräften, Energiekosten und Inflation dürfe man nicht nur für einzelne Details nach Lösungen suchen. „Wir müssen mehr auf die Netzwerke blicken.“

Aus Sicht der Professorin ist der anhaltende Pflegenotstand ein „Ausdruck des Nicht-Sehen-Wollens“. Die Gesellschaft habe zwar der Sozialbranche mit ihren systemrelevanten Jobs applaudiert. Unterm Strich erlebten die Beschäftigten in den Sozialberufen aber ganz generell „zu wenig Wertschätzung“. Motivation und Berufung für aufreibende Aufgaben hielten nur begrenzt an. Hier zog die Bestsellerautorin eine Parallele zur Natur. Das ökologische System gerate ebenfalls aus dem Gleichgewicht, „wenn es überhitzt wird“. Die Lehre: „Wir brauchen ein Netzwerk des Miteinanderlebens und müssen uns als Teil des Systems begreifen.“

Wohlfahrt will Hebel für Nachhaltigkeit sein

Die Wohlfahrtspflege in Deutschland wolle ein Hebel für mehr Nachhaltigkeit sein, betonte der Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, Ulrich Lilie. „Wir haben zwei Millionen hoch motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese wichtigen Schritte gehen wollen“, sagte Lilie, der auch Präsident der Diakonie Deutschland ist, bei einer Pressekonferenz. Alle Krankenhäuser in Deutschland zusammen hätten den gleichen ökologischen Fußabdruck wie Flugverkehr und Bahnverkehr in Deutschland zusammen, erläuterte er. Viele der Kliniken könnten einen Großteil ihrer Energie selbst erzeugen, aber „wir müssen endlich ins Tun kommen“.

Einem Sozialunternehmen, das nachts die nicht genutzte Energie aus seinem eigenen Blockheizkraftwerk ins öffentliche Netz einspeiste, sollte vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkannt werden, weil es auf Gewinn ausgerichtet sei, berichtet Lilie von einem Fall. An dem Beispiel werde deutlich, dass es für nachhaltiges Denken noch keine „gemeinsame Logik gebe“. Er kritisierte eine „Projekteritis“ statt einer zusammenhängenden und vor allem langfristigen Förderung für klimaneutrale Sozialunternehmen. Das Thema Nachhaltigkeit müsse auch in den Sozialgesetzbüchern verankert werden, so der Diakoniechef.

Sozialministerin sieht Branche vor großen Herausforderungen

Die bayerische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sagte, sie erlebe bei den Beschäftigten in der Sozialwirtschaft ein „hohes Interesse“, Nachhaltigkeit zu fördern. Sie räumte ein, dass die Rahmenbedingungen das manchmal schwer machten. In dem Motto der diesjährigen ConSozial „Ökologisch denken, sozial handeln, Zusammenhalt nachhaltig stärken“ verdichteten sich die Herausforderungen, vor denen die Branche stehe, so Scharf.

Die Mitveranstalterin der ConSozial berichtete, dass mit einem ersten Förderprogramm die Evangelische Hochschule Nürnberg zum klimaneutralen Sozialunternehmen werden soll. Einen wichtigen Beitrag könnten auch die über 110.000 Beschäftigten in bayerischen Kitas leisten. „Umweltbildung von Kindern ist wichtig.“ Insgesamt hat die Sozialwirtschaft in Bayern rund 450.000 Mitarbeiter.

Ministerin: Arbeitszeiten in der Pflege flexibel gestalten

Die Ministerin wiederholte ihre Forderung nach flexibleren Arbeitszeiten in den Pflegeberufen. Der Gesundheitsschutz müsse dabei zwingend im Zentrum stehen, sagte sie. Aber: „Wir müssen offen über eine längere Arbeitszeit an einzelnen Tagen von bis zu zwölf Stunden und eine Wochenarbeitszeit von 48 Stunden diskutieren - flexibel und auf freiwilliger Basis der Beschäftigten.“

Nicole Schley und Stefan Wolfshörndl, die Landesvorsitzenden der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Bayern, gingen umgehend auf Distanz: „Das wäre nicht nur ein Schritt, sondern ein Spurt nach hinten. Was wir brauchen, sind vorwärts gerichtete, mutige Maßnahmen, die nicht zuletzt das Wohl der Arbeitnehmer im Fokus haben. Dazu zählt die 35 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, gute Arbeitsbedingungen und mehr Personal, aber keine endlosen Schichten, die zum Hamsterrad für die Fachkräfte werden.“

Die ConSozial gilt als wichtigste Messe für Fach- und Führungskräfte der Sozialpolitik, der Sozialwirtschaft und des Sozialwesens im deutschsprachigen Raum. An zwei Tagen informieren sich rund 5.000 Besucherinnen und Besucher über neue Entwicklungen. Parallel findet der KITA-Kongress für Fach- und Führungskräfte von Kitas statt.

Thomas Tijang, Jutta Olschewski