Mainz (epd). Der Mainzer Obdachlosenarzt und Kandidat bei der vergangenen Bundespräsidentenwahl, Gerhard Trabert, registriert zunehmend eine aggressive Haltung gegenüber Wohnungslosen. Bei seinen Kontakten zu wohnungslosen Patienten höre er immer häufiger von gewalttätigen Übergriffen, sagte der Mediziner dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Bundesweit gebe es zudem in Großstädten Versuche, Wohnungslose aus dem Stadtbild zu verdrängen, rügte der Arzt. Eine solche Politik bezeichnete Trabert als „strukturelle Gewalt“: „Der öffentliche Raum gehört jedem - auch Wohnungslosen.“
Statt das zu akzeptieren, würden Plätze so umgebaut, dass sie für Wohnungslose unattraktiv werden - etwa durch Sitzbänke, deren Form ein Hinlegen unmöglich macht. Beispielhaft für diesen Trend sei auch der Bau eines Metallzauns vor der Mainzer Stadtbibliothek, unter deren überdachtem Vorbau sich früher oft obdachlose Menschen aufhielten.
Die absolute Mehrzahl wohnungsloser Menschen stelle für niemanden eine Bedrohung dar, sagte der Gründer des Vereins „Armut und Gesundheit in Deutschland“, der in Mainz und Umgebung seit vielen Jahren wohnungslose Patienten betreut. Wenn es Probleme mit einzelnen Personen gebe, müssten die im Dialog mit Hilfsorganisationen oder Sozialarbeitern gelöst werden.
Bei seinen Kontakten zu wohnungslosen Patienten höre er in jüngster Zeit vermehrt, dass Obdachlose mit Steinen beworfen oder beschimpft würden, berichtete Trabert. Teilweise würden dabei rechte Parolen gerufen. Auch gebe es zunehmend Klagen darüber, dass Täter nachts auf Menschen urinierten, die im Freien schlafen.
„Manche steigen schon nicht mehr in ihre Schlafsäcke, sondern decken sich damit nur noch zu, um schnell fliehen oder sich wehren zu können“, sagte Trabert. In Mainz habe sein Verein in diesem Jahr auch schon zwei wohnungslose Frauen betreut, die Opfer von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt geworden seien. Grundsätzlich herrsche in Deutschland ein Mangel an sicheren Übernachtungsplätzen für wohnungslose Frauen.
In den meisten Fällen scheuten sich obdachlose Opfer von Überfällen davor, zur Polizei zu gehen, bedauerte Trabert. „Dabei würde ich Mut machen, so etwas zur Anzeige zu bringen.“ In Mainz gehe die Kriminalpolizei bei Straftaten gegen Wohnungslose beispielsweise stets gründlich und wertschätzend vor. Das Gleiche gelte, wenn Menschen ohne festen Wohnsitz aus ungeklärter Ursache versterben: „Da wird nie gesagt: Das ist ja nur ein Penner.“