Nürnberg/München (epd). „Etwas Warmes braucht der Mensch“, das Motto aus einer alten Werbekampagne passt sehr gut als Klammer für die vielen Projekte, die in evangelischen Gemeinden derzeit ausgetüftelt werden oder schon angelaufen sind. Ihr gemeinsames Ziel: Menschen zu unterstützen, die wegen der hohen Inflation nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen. In Bamberg heißt ein Projekt im Januar und Februar 2023 sogar „Suppenkirche - ein Teller Wärme“. Wochentags soll es wechselnd in fünf verschiedenen Gemeinden für alle einen Teller Suppe mit Brot an einem gemeinsamen Tisch geben, ist die Idee.
Essensausgaben und Wärmestuben einzurichten, beheizte Kirchen oder kirchliche Häuser nach dem Gottesdienst oder zu anderen Zeiten offenzuhalten, Beratungsangebote zu schaffen, bei denen Menschen in Notlagen Informationen zu staatlichen Hilfen erhalten - das war der Gedanke, der hinter dem im Oktober von Diakonie und Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) ausgerufenen #wärmewinter steckt.
Er soll die Antwort sein auf die Überschrift „Wutwinter“, mit der im Herbst manche Gruppen zum Protest gegen die Regierung aufgerufen hatten. Der Zusammenhalt in der Gesellschaft stehe vor einer neuen Bewährungsprobe, sagten Diakoniepräsident Ulrich Lilie und die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus. Politischen Radikalisierungen und spaltenden Tendenzen wolle man entgegentreten.
An besserverdienende Bürgerinnen und Bürger hat die Stadtmission in Nürnberg appelliert, ihre Energiepreispauschalen an dringend Bedürftige weiterzugeben. Die Energiepreisbremsen des Staates würden jetzt pauschal und kurzfristig alle Bürgerinnen und Bürger entlasten, heißt es in dem Aufruf: „Den ständigen Existenzkampf für Menschen am untersten Einkommensende beenden sie nicht“.
Mieten, Lebensmittel, Strom- und Heizkosten würden permanent teurer. Darauf könne keine Sozialbehörde schnell genug reagieren, erklärt Christine Mürau von der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA) der Stadtmission. „Unsere Klientel hat große Angst, ihr Lebensnotwendiges nicht mehr bezahlen zu können“, sagt sie.
Eine Solidaritätsaktion gibt es auch im Dekanat Erlangen, denn dort stehen über 4.000 Menschen jede Woche bei der Tafel an, um Gemüse, Brot und Milchprodukte oder haltbare Lebensmittel zu erhalten. „Viele Menschen treibt die Frage um, was die kommenden Monate angesichts des Krieges in der Ukraine und der gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten bringen werden“, heißt es in einem Aufruf von Dekanat und Tafel.
Von Armut betroffene Menschen würden immer häufiger vor der Frage stehen: „Gebe ich das vorhandene Geld für Essen aus oder heize ich meine Wohnung?“ Deswegen sind nun Gemeindemitglieder aufgefordert, haltbare Lebensmittel wie Kaffee, Tee, Fisch- und Gemüsekonserven, Mehl oder Nudeln in Kirchen zu bringen.
Auch im unterfränkischen Lohr sammelt die Kirchengemeinde Spenden für bedürftige Menschen. Die Gemeinde der Fürther Kirche St. Paul hat vorsorglich einen Notfonds für Bedürftige eingerichtet, weil sie erwartet, dass vermehrt Menschen beim Pfarramt klingeln und um Unterstützung bitten. Die Gemeinde der Reformations-Gedächtnis-Kirche im Münchner Westen kooperiert mit der Bahnhofsmission. Mit Spendengeldern sollen Schlafsäcke, Isomatten, Socken, Handschuhe und noch mehr wärmendes für Obdachlose gekauft werden.
Eine warme Mahlzeit, ein heißes Getränk und ein gemütlicher Platz zum Reden sollen zweimal in der Woche Menschen in Amberg bekommen, denen ein kaltes Wohnzimmer und menschliche Einsamkeit drohen, erklärt Pfarrer David Scherf. Der Gemeindesaal der Erlöserkirche bleibt gut geheizt für die Aktion „WARMumsHERZ“ der Kirchengemeinde zusammen mit dem Verein Zamhaltn. „Die Menschen müssen nicht allein bleiben“, sagt Scherf. Auch die Himmelfahrtskirche in München-Sendling bietet bis Ende März ein Wintercafé an. Jeweils donnerstags gibt es Kaffee, Tee, Kuchen, Zeitschriften und Musik im Hintergrund. Ein ökumenisches und interkulturelles Projekt stellen zwei Gemeinden im Nürnberger Stadtteil Gleißhammer unter dem Motto „Gleißhammer isst was“ auf die Beine.
Auch im Nürnberger Süden kann nach zwei Jahren Pause im Januar wieder die große Vesperkirche in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche öffnen, in der sich in den Vorjahren sechs Wochen lang täglich etwa 400 Menschen bunt gemischt zum Mittagsmahl trafen.
In der Stadtkirche in Kitzingen gibt es im Dezember und Januar Adventskaffee, einen Spielenachmittag und eine gemütliche Einstimmung vor der Christvesper, teilt Dekanin Kerstin Baderschneider mit. Die Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA) werde sich mit Beratungsangeboten an kommunale Initiativen wie einen Mittagstisch andocken. Das Diakonische Werk Ansbach plant in der Stadt für Menschen ohne Obdach, aber auch einsame Menschen ein erweitertes Wärmestubenangebot. Die Diakonie Hochfranken öffnet das Café im Mehrgenerationenhaus in Hof. Hier haben Menschen die Möglichkeit, sich aufzuwärmen, wenn sie wegen der steigenden Energiepreise ihre Wohnung nicht mehr richtig heizen. Über eine solche „Wärmeinsel“ denkt auch die Gemeinde St. Anna in Augsburg nach.
Nicht frieren sollen auch die Studierenden der Evangelischen Hochschule (EVHN) in Nürnberg. Bibliothek und Cafeteria bleiben geheizt, hat das Kuratorium entschieden und damit eine Ausnahme zu einem Beschluss der Landeskirche genehmigt. Gerade nach den Corona-bedingten Online-Semestern sei gemeinsames Leben an der Hochschule besonders wichtig. Dafür schaffe die EVHN „warme Rahmenbedingungen“, sagt der Präsident der Hochschule, Thomas Popp.