Berlin (epd). Fast an jedem dritten Tag ist eine Frau in Deutschland im vergangenen Jahr von ihrem Partner oder Expartner getötet worden. Wie aus einer am 24. November in Berlin veröffentlichten kriminalstatistischen Auswertung zur Partnerschaftsgewalt hervorgeht, wurden 109 Frauen Opfer von vollendetem Mord und Totschlag sowie zwölf Männer. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte, „diese Verbrechen werden oft als Beziehungstaten bezeichnet, als wären sie eine private Angelegenheit von Partnern.“ Sie fügte hinzu: „Ich nenne diese Taten Femizide.“
Insgesamt gingen die Fälle von Gewalt in Partnerschaften 2021 leicht um 2,5 Prozent zurück - von fast 146.700 im Jahr 2020 auf gut 143.000. Im Fünfjahresvergleich war wiederum ein Anstieg zu verzeichnen. Mit rund 80 Prozent waren überwiegend Frauen Opfer solcher Delikte, die von Körperverletzung über Stalking bis hin zu Vergewaltigung und Mord reichten. Paus betonte, jede Stunde erlitten durchschnittlich 13 Frauen Gewalt in der Partnerschaft. Vier von fünf Tatverdächtigen waren Männer.
Fast jedes fünfte in der polizeilichen Kriminalstatistisk erfasste Opfer (18,3 Prozent) kommt durch Gewalt in Partnerschaften zu Schaden. Dies beschreibt nur das Hellfeld, die Dunkelziffer dürfte noch erheblich größer sein. Die meisten Opfer waren mit fast 40 Prozent ehemalige Partnerinnen und Partner der Tatverdächtigen. Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, wies aber darauf hin, dass die Bereitschaft höher sei, eine Anzeige zu stellen, wenn die Beziehung bereits beendet ist. Jeweils etwa 30 Prozent der Opfer waren mit den Tatverdächtigen verheiratet oder in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft.
Bei den meisten Gewalttaten handelte es sich mit knapp 60 Prozent um vorsätzliche einfache Körperverletzung. Bei 25 Prozent ging es um Bedrohung, Stalking oder Nötigung, bei mehr als zwölf Prozent um gefährliche Körperverletzung, bei 2,5 Prozent um Vergewaltigung, sexuelle Nötigung oder sexuelle Übergriffe, bei 0,3 Prozent um Mord und Totschlag.
Die wegen der Corona-Pandemie verhängten Beschränkungen haben zumindest statistisch nicht zu einem signifikanten Anstieg der Fälle von Partnerschaftsgewalt geführt. Allerdings ist es möglich, dass die Situation während der Pandemie auch das Anzeigeverhalten von Opfern beeinflusst hat. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte, häufig würden Gewalttaten zunächst im Umfeld der Betroffenen wahrgenommen, die dann zum Handeln ermutigt würden. Gerade in der Pandemie seien Frauen aber beispielsweise im Homeoffice gewesen und nicht mehr im gewohnten beruflichen Umfeld. Insofern könnte die Partnerschaftsgewalt also zugenommen haben, ohne dass das von der Polizei erfasst wurde.
Der Sozialverband VdK forderte von der Ampel-Regierung derweil mehr Maßnahmen auch zum Schutz von Frauen mit Behinderung. Gerade diese Frauen und Mädchen erführen häufiger Gewalt als der Durchschnitt, erklärte Verbandspräsidentin Verena Bentele. Sie hätten oft keine Möglichkeit, sich aus der Situation zu befreien, etwa bei körperlicher oder sexualisierter Gewalt, Beschimpfungen und Diskriminierung in Einrichtungen der Behindertenhilfe. „Das sind keine Einzelfälle, sondern schockierender Alltag.“ Bentele verlangte, dass die Bedarfe von Frauen mit Behinderung beim Ausbau des Hilfesystems von Anfang an berücksichtigt werden. „Der Großteil der Frauenhäuser beispielsweise ist bisher nicht barrierefrei. Das muss sich ändern.“