Karlsruhe (epd). Die von einem Vermieter verlangte Wohnungsräumung darf nicht zu einer erhöhten Suizidgefahr bei einem psychisch kranken Mieter führen. Hat sich eine depressive Mieterin so sehr auf den Verbleib in der Wohnung fixiert und lehnt sie eine stationäre Behandlung und eine vom Vermieter angebotene Ersatzwohnung ab, kann ein Härtefall vorliegen, der die Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit begründet, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am 23. November veröffentlichten Urteil.
Im konkreten Fall ging es um eine heute 80-jährige Mieterin, die an einer schweren Depression verbunden mit Suizidgedanken erkrankt ist. Die Frau lebt seit 45 Jahren in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in Köln.
Ihr Vermieter kündigte die Wohnung zum 31. Dezember 2017 wegen Eigenbedarfs. Doch sowohl das Landgericht Köln als nun auch der BGH entschieden, dass die psychisch kranke Mieterin aus Härtefallgründen die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen kann. Müsse die Mieterin die Wohnung räumen, bestehe laut Gutachten eine erhebliche Suizidgefahr, so der BGH.
Sei eine psychisch Kranke fähig, mit einer Therapie die bestehende Suizidgefahr zu beseitigen, sei zwar nicht mehr von einem Härtefall auszugehen. Hier sei die Mieterin jedoch krankheitsbedingt nicht in der Lage, die Wohnung für eine stationäre Therapie zu verlassen. Sie sei auf ihre Wohnung fixiert. Aus dem gleichen Grund habe sie sich auch nicht auf das Angebot ihres Vermieters einlassen können, eine Alternativwohnung zu beziehen.
Az.: VIII ZR 390/21