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Behinderung

Evaluation des Gleichstellungsgesetzes zeigt Defizite



Eine Evaluierung des Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (BGG) im Auftrag der Bundesregierung zeigt, dass Bundesbehörden noch immer häufig nicht barrierefrei sind. Die Studie belegt, wo dringend Verbesserungen erreicht werden müssen.

Berlin (epd). Die jetzt vorgelegte Überprüfung des BGG zeigt den Angaben nach auch, dass die gesetzlichen Vorgaben für die Gleichstellung bei Mitarbeitenden in den Behörden und Ämtern zu wenig bekannt sind. An dem Bericht war auch das Hugo Sinzheimer Institut für Arbeits- und Sozialrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung beteiligt, heißt es in einer Mitteilung vom 21. November.

Bei vielen Beschäftigten in Behörden seien die Gesetzesanforderungen und wichtige Hilfsmittel wie beispielsweise die Verwendung Leichter Sprache wenig bekannt. Auch sind den Angaben nach Dolmetscherinnen und Dolmetscher für Gebärdensprache oft nicht verfügbar. „Auch in der Rechtsprechung spielt das BGG bislang kaum eine Rolle. Neben Schulungen für die Praxis wäre es dringend nötig, das BGG besser mit dem Zivil- und dem Sozialrecht zu verzahnen.“ Auch eine Stärkung des Verbandsklagerechts im BGG wäre sinnvoll, hieß es.

Unklare Bescheide und Zuständigkeiten

Nicht selten sind demnach behördliche Zuständigkeiten oder Bescheide auch für Menschen ohne Behinderung schwer verständlich. Für Menschen mit Beeinträchtigung kann der Zugang zur Verwaltung noch häufiger kaum ohne Hilfe und damit selbstbestimmt erfolgen. „Das gilt etwa, wenn Bescheide und Informationen nicht in einfacher Sprache verfasst sind oder es keinen rollstuhlgerechten Eingang ins Amt gibt“, heißt es in der Evaluation. Diskriminierung von Menschen mit Behinderung sei ein strukturelles Problem.

Um Benachteiligungen durch Behörden zu verhindern und Barrierefreiheit im Kontakt mit ihnen herzustellen wurde 2002 das BGG erlassen und 2016 reformiert. Das Gesetz soll die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) sowie das Benachteiligungsverbot im Grundgesetz umsetzen. Wie das novellierte BGG zu bewerten ist und in der Praxis wirkt, sollte die vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales beauftragte Evaluation zeigen. Das BGG gilt für die gesamte Bundesverwaltung und hat zudem Leitfunktion für Verfahrensregelungen der Bundesbehörden und die Länder-BGG.

Über 3.000 Personen befragt

Für ihren Bericht haben die Forschenden unter anderem online oder telefonisch mehr als 3.000 Menschen befragt: Gut 2.200 Beschäftigte in der Bundesverwaltung, etwa 600 Menschen mit Behinderungen, gut 440 in Schwerbehindertenvertretungen sowie knapp 140 Expertinnen und Experten, die in Rechtsschutzvertretungen von Sozialverbänden und dem DGB arbeiten.

Die befragten Menschen mit Behinderung attestieren ebenfalls Defizite auf Seiten der Behörden, die eine gleichberechtigte Teilhabe blockieren. Noch viel häufiger gaben sie aber an, dass sie Diskriminierungen vor allem in privaten Rechtsverhältnissen erfahren, allen voran im Beruf, im Öffentlichen Personenverkehr, in Bezug auf das Wohnen oder beim Zugang zu Gebäuden und zum Gesundheitswesen. Daraus und aus einer Analyse der deutschen Rechtsordnung leiten die Forschenden ab, dass die Probleme im Gleichstellungsrecht in hohem Maß systematisch sind.

Gesetze stehen unverbunden nebeneinander

Problematisch ist den Forscherinnen und Forschern zufolge, dass das Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das Sozialrecht und das BGG nahezu unvermittelt nebeneinander stehen. Sie leiten daraus die Notwendigkeit einer systematischen Bearbeitung der rechtlichen Schnittstellen ab. „Damit besteht die Chance für umfassende Änderungen, was zudem der praktischen Bedeutung des BGG zuträglich wäre“, hieß es.

Als Bereich mit großem Handlungsbedarf identifiziert die Evaluation eine barrierefreie Kommunikation der Behörden. Konkrete Hilfen wie Leichte Sprache oder Audio-Dateien und die dazu ergangenen Verordnungen seien zu oft unbekannt. Entsprechend werden sie von den Behördenmitarbeitenden weniger häufig eingesetzt und die Ansprüche der Betroffenen nicht ausreichend umgesetzt. Wichtig ist deshalb laut dem Evaluationsbericht, die Behörden stärker zu verpflichten, die Anwendung der jeweiligen Hilfen nicht auf bestimmte Behinderungsarten zu beschränken und entsprechende Schulungsangebote auszubauen. Zudem seien Kommunikationshilfen wie beispielsweise Gebärdensprachdolmetscher oft nicht verfügbar.

Empfohlen wird zudem, die Verbandsklage dringend zu reformieren, wäre sie doch bei besserer Ausgestaltung eine äußert effektive Möglichkeit zur strategischen Prozessführung mit präventiver Wirkung. Bislang finde das BGG in Gerichtsverfahren kaum Eingang, so die Autoren der Studie.

Dirk Baas