Bonn (epd). Die Neufassung des kirchlichen Arbeitsrechtes durch die katholischen Bischöfe wird unterschiedlich bewertet. Während die Caritas und ihre Dienstgeber Fortschritte loben, geht die Gewerkschaft ver.di auf Distanz. Mehrere kirchliche Organisationen mahnten die schnelle Umsetzung der Vereinbarungen in der Fläche an.
Nach einer Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz am 22. November in Bonn soll sich das Beziehungsleben und die Intimsphäre von Arbeitnehmern künftig dem Zugriff des Dienstgebers entziehen. Der Caritasverband, das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), Politiker sowie Vertreterinnen und Vertreter christlicher Gruppen aus dem LSBTTIQ-Spektrum begrüßten die Novelle. Die Vertreter von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transidenten, transsexuellen, intersexuellen und queeren Gläubigen forderten zugleich eine konsequente Umsetzung.
Bislang dürfen katholische Arbeitnehmer in der Regel keine gleichgeschlechtliche Ehe schließen und unter Umständen nach einer Scheidung nicht wieder heiraten. Als „überfälligen Schritt“ würdigte ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp die Neufassung der Grundordnung. Entscheidend sei die nun vorbehaltlose Akzeptanz der sexuellen Identität kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Arbeitsrecht.
Der Deutsche Caritasverband erklärte, mit der Reform „werden die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die rund 700.000 Beschäftigten der Caritas ebenso wie für die ca. 90.000 Beschäftigten in den Ordinariaten, katholischen Schulen und bei anderen katholischen Trägern in Deutschland grundlegend modernisiert“. Die Reform sei „dringend überfällig“, so Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa. „Entscheidend ist nun, dass die neue Ordnung so schnell wie möglich in allen Bistümern in Kraft gesetzt wird, damit wir in ganz Deutschland eine verbindliche und einheitliche Grundlage der Arbeitsbeziehungen in Kirche und Caritas haben“, unterstrich die Präsidentin.
Die Caritas-Dienstgeber bewerteten den Beschluss als „wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts, in der die persönliche Lebensführung keine Rolle mehr für den Arbeitgeber spielen wird“. Es sei gut ist, „dass endlich schwarz auf weiß steht, dass Kirche und Caritas als Arbeitgeberinnen kein Mitspracherecht bei der Lebensführung ihrer Mitarbeitenden haben“, betonte Norbert Altmann, Sprecher der Caritas-Dienstgeber.
Das Regenbogenforum, die Vertretung christlicher Gruppen aus dem LSBTTIQ-Spektrum, erklärte: „Damit haben queere Beschäftigte der katholischen Kirche endlich die Rechtssicherheit, dass ihr Privatleben keine Kündigung nach sich zieht. Eine Heirat ist in Zukunft kein Kündigungsgrund mehr.“
Der Austritt aus der katholischen Kirche bleibt dagegen - abgesehen von Ausnahmefällen - wie in der bisherigen Fassung der Grundordnung ein Einstellungshindernis beziehungsweise ein Kündigungsgrund. „Auch eine kirchenfeindliche Betätigung steht einer Einstellung bzw. Weiterbeschäftigung entgegen“, so die Bischofskonferenz. Die Religionszugehörigkeit dagegen sei nach neuem Recht nur dann ein Kriterium bei der Einstellung, wenn sie für die jeweilige Position erforderlich ist.
„Das passt sehr gut zu dem Weg, den wir seit vielen Jahren eingeschlagen haben“, sagte Karsten Honsel, Hauptgeschäftsführer der Alexianer GmbH, einem der größten katholischen Sozialträger. Schon bei der bisher praktizierten Anwendung der Grundordnung habe man die Spielräume im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter genutzt. „Mit dem institutionenbezogenen Ansatz wird nach unserer Einschätzung die Zukunft und Berechtigung des Dritten Weges gestärkt“, sagte Honsel.
Kritisch sehen die Alexianer dagegen, dass der Austritt aus der katholischen Kirche wie in der bisherigen Fassung der Grundordnung ein Einstellungshindernis beziehungsweise Kündigungsgrund sein kann und die neue Fassung hier den Dienstgebern weniger Spielraum einräumt. „Wir Alexianer legen seit Jahren die Grundordnung sehr liberal aus. Entscheidend ist für uns neben der fachlichen Qualifizierung die Loyalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu den Werten des Unternehmens“, sagte Honsel.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di kritisierte die neue Grundordnung mit Blick auf das Kündigungsrecht. Glaube sei eine sehr persönliche Angelegenheit, „es darf doch nicht sein, dass man als Krankenschwester im Krankenhaus oder als Erzieherin in der Kindertagesstätte seine Stelle verliert, wenn man sich entscheidet, nicht mehr einer Kirche anzugehören“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler.
Ein weiterer Kündigungsgrund sei sogenannte „kirchenfeindliche Betätigung“. Was gegen die Werteordnung der Kirche verstoße, legten die Kirchen selbst fest, rügte die Gewerkschafterin. „Es kann zum Beispiel Kündigung drohen, wenn jemand für die Abschaffung der Strafbarkeit von Schwangerschaftsabbrüchen demonstriert. Das ist nicht hinnehmbar“, stellte Bühler klar.
Sie verwies zudem darauf, dass die rund 25.000 karitativen Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen sich fast ausschließlich aus öffentlichen Mitteln finanzierten. Trotzdem dürften die katholischen Arbeitgeber mit Billigung des Staates ihren Beschäftigten Rechte vorenthalten, die in jedem anderen Betrieb gelten. SPD, Grüne und FDP hätten im Koalitionsvertrag die Prüfung des kirchlichen Sonderrechts vereinbart. „Die Bischöfe haben erneut gewichtige Argumente für ein Eingreifen des Gesetzgebers geliefert. Die Bundesregierung muss die nötigen Konsequenzen zu ziehen“, so Bühler.
Der Beschluss der Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) hat den Angaben zufolge empfehlenden Charakter. Um Rechtswirksamkeit zu entfalten, muss er laut Bischofskonferenz in den einzelnen Bistümern und Erzbistümern in diözesanes Recht umgesetzt werden. Dass das geschieht, daran haben Expertinnen und Experten jedoch Zweifel.