

Frankfurt a.M. (epd). Die Firma Grünenthal schloss am 10. April 1970 mit den Eltern contergangeschädigter Kinder einen Vergleich, der bei Opfern sehr umstritten war. Das Unternehmen verpflichtete sich, 100 Millionen DM (51,1 Millionen Euro) für den Schadensausgleich zu bezahlen. Die betroffenen Eltern mussten im Gegenzug unterschreiben, auf sämtliche finanziellen Ansprüche gegen das Unternehmen zu verzichten. Viele Betroffene nahmen das Angebot an, auch weil der Druck hoch war, sonst womöglich ohne Zahlungen dazustehen. Das Geld floss in eine Stiftung, die unter anderem - zunächst niedrige - Renten zahlte.
Vorausgegangen war eines der größten Strafverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik gegen führende Vertreter der Firma Grünenthal, es lief seit 1968 in Aachen vor dem Landgericht. Auf der Basis des Vergleichs wurde es im Dezember 1970 eingestellt.
Um die gerechte Verteilung der Gelder sicherzustellen, beschloss der Bundestag die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung, die am 31. Oktober 1972 unter dem Namen „Hilfswerk für behinderte Kinder“ ins Leben gerufen wurde - Vorläuferin der heutigen Conterganstiftung.
Die Stiftung wurde mit 100 Millionen DM von Grünenthal sowie 100 Millionen DM aus Bundesmitteln ausgestattet. Bis 2021 gab es sechs Änderungsgesetze, um etwa langfristig Rentenzahlungen abzusichern, den Kapitalstock zu erhöhen oder um statt individueller Leistungen jährliche Pauschalzahlungen an die Opfer zu ermöglichen.
Schon vor 50 Jahren war absehbar, dass die von Grünenthal gezahlten Beträge bei weitem nicht ausreichen würden, um den Bedürfnissen der Betroffenen in angemessenen Umfang gerecht zu werden. Im Jahr 2009 zahlte Grünenthal noch einmal 50 Millionen Euro in die Stiftung ein. Aber der Mammutanteil kommt aus Bundesmitteln.
Bis heute hat die Stiftung an die Geschädigten 2,8 Milliarden Euro ausgezahlt. Mit dem Stand von Juli 2022 leben weltweit insgesamt 2.518 von der Conterganstiftung anerkannte Betroffene, davon 2.270 Menschen in Deutschland und 248 im Ausland.
Die Stiftung ist zudem auf einem anderen Feld aktiv: Jährlich fließen drei Millionen Euro in den Aufbau von medizinischen Kompetenzzentren. So sollen die Beratungs- und Behandlungsangebote und damit die Lebenssituation für thalidomidgeschädigte Menschen verbessert werden. Und: Das dort vorhandene Fachwissen soll auch den niedergelassenen Ärzten zugänglich sein. Bisher sind acht Kliniken in diesem Netzwerk zusammengeschlossen. Bundesweit sollen es zehn Einrichtungen werden.
2012 gründete Grünenthal die Grünenthal-Stiftung zur Unterstützung von Conterganopfern und hat darin die seit 2011 bestehende eigene Härtefall-Initiative integriert. Ziel sei es, Projekte zu fördern und zu entwickeln, die über die finanzielle Unterstützung der Conterganstiftung hinausgehen. Dabei handelt es sich ausschließlich um Sachleistungen.