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Bundesregierung legt Eckpunkte für Cannabislegalisierung vor




Die Bundesregierung will neue Wege im Umgang mit Cannabis gehen.
epd-bild/Pat Christ
Die Legalisierung des Cannabiskonsums zählt zu den zentralen Versprechen der Ampelkoalition. Einige Mediziner sind skeptisch, Gesundheitsminister Lauterbach war es auch. Jetzt verteidigt er die Pläne als sinnvoll für Gesundheits- und Jugendschutz.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat sich auf Eckpunkte für die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland geeinigt. Wie aus am 26. Oktober vom Kabinett verabschiedeten Eckpunkten hervorgeht, sollen Erwachsene künftig straffrei 20 bis 30 Gramm der Droge besitzen und in begrenztem Maß auch selbst Cannabis anbauen dürfen. Der Verkauf soll staatlich kontrolliert werden.

Damit würden der Schwarzmarkt zurückgedrängt und die Qualität von Cannabis kontrolliert, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der die Pläne damit als Fortschritt für den Gesundheits- sowie Kinder- und Jugendschutz verteidigte.

Lauterbach: Wir brauchen einen neuen Ansatz

Die Zahl der Cannabis-Konsumenten sowie der THC-Gehalt stiegen, sagte Lauterbach in Berlin, der nach eigenen Worten früher selbst ein Gegner der Cannabis-Legalisierung war. Auch angesichts dieser Entwicklung habe er seine Meinung geändert. Man brauche einen neuen Ansatz, sagte er.

Den Eckpunkten zufolge soll der Cannabis-Konsum künftig grundsätzlich nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Für Erwachsene sollen Erwerb und Konsum legal sein, unabhängig vom Gehalt von Tetrahydrocannabinol (THC). Die Substanz sorgt für die berauschende Wirkung beim Kiffen. Wegen des Risikos für Gehirnschädigungen bei Heranwachsenden wird aber erwogen, für unter 21-Jährige den THC-Gehalt zu begrenzen. Verkauft werden soll Cannabis nur in lizenzierten Geschäften.

Für Minderjährige bleibt Cannabis-Besitz verboten

Für unter 18-Jährige bleiben Besitz und Konsum von Cannabis verboten, sollen aber nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden. Stattdessen Jugendliche bei einem Verstoß zur Teilnahme an einem Frühinterventions- oder Präventionsprogramm verpflichtet werden können. Geplant sei eine vollständige Entkriminalisierung, sagte Lauterbach. Wenn die neue Regelung in Kraft tritt, sollen auch laufende Ermittlungs- und Strafverfahren eingestellt werden.

Das wird nach Lauterbachs Einschätzung aber frühestens 2024 der Fall sein. Die Materie sei komplex, sagte er. Zudem hat die Bundesregierung entschieden, ihre Pläne schon im Stadium vor dem konkreten Gesetzentwurf der EU-Kommission zur Prüfung vorzulegen. Sie ist unsicher, ob die Legalisierungspläne mit EU-Regelungen vereinbar sind. Erst wenn Brüssel grünes Licht gibt, will Lauterbach sich an den konkreten Entwurf machen. Das letzte Wort hat dann der Bundestag.

SPD, Grüne und FDP hatten im Koalitionsvertrag angekündigt, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften einzuführen. Aus den Koalitionsfraktionen gab es nach der Kabinettsentscheidung ein unterschiedliches Echo. Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther lobte die Eckpunkte als „sehr gute Grundlage“.

Grüne: Gesundheitsschutz bekommt Vorrang

Gesundheits- und Jugendschutz bekämen endlich Vorrang. „Die jahrzehntelange Prohibition hat die Risiken nur verschärft. Mit der Legalisierung wird die Kriminalisierung von Millionen Konsumierenden beendet“, so die Grüne. „Der THC-Gehalt muss klar deklariert werden, damit die Konsumierenden wissen, was sie bekommen. Es geht ja auch niemand in eine Kneipe und bestellt ein Glas Alkohol, ohne zu wissen, ob Bier oder Wodka drin ist.“

Die FDP-Parlamentarierin Kristine Lütke wertete sie dagegen als „immer noch zu restriktiv“. Sie kritisierte die Mengengrenze für den Besitz. „Das finden wir falsch, denn wir regulieren ja auch nicht, wie viel Wein oder Bier jemand besitzen darf“, sagte die drogenpolitische Sprecherin der Liberalen. Neben lizenzierten Abgabestellen forderte sie zudem, den Cannabis-Handel auch online und für Lieferdienste zu erlauben.

Linke: Langer Weg zu bedarfsgerechten Strukturen

Martin Schirdewan, Vorsitzender der Linkspartei, sagte, das Legalisierungskonzept für Cannabis müsse alltagstauglich werden. „Durch den Druck aus der Zivilgesellschaft sind wir einen großen Schritt weiter auf dem Weg, bedarfsgerechte Strukturen zu schaffen: Der Rückzieher bei THC-Obergrenzen ist eine Voraussetzung, um den Cannabis-Schwarzmarkt trockenlegen zu können“, so der Parteivorsitzende. Aber der Weg sei noch lang: „Eine Regelung zu sogenannten Cannabis-Social-Clubs fehlt in den Eckpunkten genauso wie Grenzwerte zur Fahrtüchtigkeit.“

Harsche Kritik an den Plänen kam von Ärztevertretern. „Es ist erschreckend, dass sich ein Gesundheitsminister, der zugleich Arzt ist, für die Legalisierung einer Droge einsetzen muss“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, der Funke Mediengruppe. Der Konsum von Cannabis sei nicht harmlos. „Man darf dem Cannabiskonsum nicht das Mäntelchen der Ungefährlichkeit umhängen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen. Er äußerte Zweifel daran, dass die Legalisierung von Cannabis dabei hilft, „die Drogenkriminalität einzudämmen und die Umstiege auf härtere Drogen zu verhindern“.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter begrüßt die geplante Cannabis-Legalisierung in Deutschland. „Wir befürworten grundsätzlich eine Entkriminalisierung von Konsumentinnen und Konsumenten aller Betäubungsmittel“, sagte der Bundesvorsitzende Dirk Peglow den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe. Zudem unterstrich Peglow die Bedeutung von Prävention: „Mögliche Steuereinnahmen aus dem Verkauf sollten in bundesweite, unbefristete Aufklärungs- und Präventionskampagnen fließen.“ Lehrerinnen und Lehrer müssten in die Lage versetzt werden, diese nachhaltig an den Schulen anbieten zu können.

Corinna Buschow