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Klimaschutz

Modernisierung von Heimen: Es fehlt nicht nur am Geld




Im Seniorenzentrum Wolfhagen steht eine energetische Sanierung an, die Millionen braucht.
epd-bild/Klaus Tschentscher
Auch Pflegeheime müssen klimaneutral werden. Etwa durch die energetische Sanierung von in die Jahre gekommenen Gebäuden. Dazu ist viel Wissen und noch mehr Geld nötig. An beidem fehlt es oft, so Experten. Doch Modernisierungen sind alternativlos - und der Druck dazu steigt.

Frankfurt a.M. (epd). Wer durch den hellen Flur im Pflegeheim St. Michael in Schwalmtal-Waldniel im Caritas-Verband Aachen geht, kann den Beitrag des Hauses zum Klimaschutz schwerlich übersehen. Im hellen Flur hängt ein großer Flachbildschirm. Der zeigt einen überdimensionalen Stromzähler vor einem Dach voller Solarzellen. Dank 254 Solarpaneelen erzeugt das Heim für 80 Bewohner im Durchschnitt zwei Drittel seines Strombedarfes seit Ende 2021 selbst. Der Monitor zeigt, wie viel Saft die Photovoltaikanlage bereits geliefert hat - zum Wohle der Umwelt.

Fast 100.000 Euro hat die Caritas in die neue Technik investiert, die sich in sechs Jahren amortisiert haben soll. „Wir freuen uns, dass wir damit zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit beitragen können“, sagt Caritas-Vorstand Peter Babinetz.

Steigende Preise bringen Finanzierung ins Wanken

In Wolfhagen in Nordhessen denkt man größer. Im Seniorenzentrum Wolfhagen, das zur Diakonie gehört, plant Geschäftsführer Klaus Tschentscher die energetische Sanierung des Heimgebäudes, das in den ältesten Teilen aus dem Jahr 1966 stammt. Drei Millionen Euro waren ursprünglich für die Dämmung von Wänden und Dach, für neue Fenster und Türen sowie für eine andere Heiztechnik kalkuliert, doch Inflation, höhere Zinsen und rasant gestiegene Baukosten werden dazu führen, dass das Projekt deutlich teurer wird.

Aber, sagt der Heimleiter dem epd sozial: „Die Sache ist alternativlos. Wir können nicht weiter Unsummen an Heizkosten bezahlen. Das ist langfristig zu teuer - sowohl für uns als auch für die Umwelt.“ Das ambitionierte Projekt muss allein durch KfW-Darlehen und Zuschüsse sowie durch eine Bank finanziert werden. Nur wenig Eigenmittel seien vorhanden, so Tschentscher - ein Grundproblem für viele gemeinnützige Träger. Zuschüsse von Bund oder Land? Fehlanzeige. „Abreißen und neu bauen, das wäre eine Alternative. Dann bräuchte ich aber mindestens 30 Millionen Euro. Und die habe ich nicht. Also geht es darum, den Altbau fit für die Zukunft zu machen“, so der Geschäftsführer.

Oft werden nur Einzelprojekte realisiert

Beide Projekte zeigen, dass die Branche längst begonnen hat, ihre betagten Immobilien für die Zukunft fit zu machen. Doch es sind oft nur isolierte einzelne Maßnahmen, die vor allem einen Vorteil haben: Sie sind bezahlbar, etwa energiesparende LED-Lampen zu nutzen, über Zeitschaltuhren und Bewegungsmelder die Beleuchtung zu optimieren oder „kluge“ Thermostate an Heizkörpern zu montieren. Sinnvolle erste Schritte, so viel ist klar, die jedoch nichts an der gewaltigen Aufgabe ändern, Tausende von Altbauten zu dämmen, Wärmeschutzfenster einzubauen oder alternative Energiekonzepte zu realisieren.

Die Caritas als größter deutscher Wohlfahrtsverband hat beschlossen, bis 2030 klimaneutral zu sein. Sie ist an bundesweit 25.000 Standorten aktiv. Doch längst nicht überall wurden trotz unmissverständlicher Vorgaben aus dem Dachverband „die Veränderungstiefe sowie die erforderliche Geschwindigkeit hin zur Klimaneutralität erkannt“, heißt es in einem Artikel in der Fachzeitschrift „neue caritas“. Das dürfte sich jetzt ändern, sind sich die Expertinnen und Experten einig. Denn heißere Sommer mit Temperaturen über 40 Grad in Kombination mit explodierenden Energiepreisen als Folge des Krieges in der Ukraine sind wie ein Menetekel an der Wand.

Auch der Druck durch die Politik steigt. Die EU will bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein. Dazu müssen Unternehmen gemäß der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ab 2024 detaillierte Informationen und Kennziffern zur Nachhaltigkeit vorlegen - anfangs nur große Firmen, doch ab 2026 werden davon auch viele Träger aus der Gesundheits- und Sozialwirtschaft betroffen sein.

Kapitalmarkt als Hebel zu mehr Klimaschutz

Der Knackpunkt: Ohne diese Berichte gibt es am Kapitalmarkt kein oder nur teures Geld für Modernisierung oder Neubauten - ein kaum zu überschätzendes Problem, denn viel Eigenkapital haben gemeinnützige Träger in aller Regel nicht. „Der Kapitalmarkt wird zum Hebel für das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele“ betont die Leiterin der Projektberatung Sozialimmobilien bei der BFS Service GmbH, Anja Mandelkow.

Auch Sozialverbände erhöhen den Transformationsdruck auf ihre Mitglieder, sich an den beschlossenen Klimazielen zu orientieren. So will die Diakonie mit ihren rund 5.000 Rechtsträgern bis zum Jahr 2035 und die Arbeiterwohlfahrt bis 2040 klimaneutral sein.

Blickt man isoliert auf die Pflegeheime, so wird überraschend deutlich, dass hier ein großes Potenzial zum Sparen von CO2 besteht. Nach Angaben aus dem Bundeswirtschaftsministerium liegen die durchschnittlichen CO2-Emissionen pro Pflegeplatz in einem Heim bei etwa 7,4 Tonnen im Jahr - und das Einsparpotenzial beträgt rund 15 Prozent davon. Durch Modernisierungen in sämtlichen Heimen könnten also mehr als 900.000 Tonnen CO2 jährlich eingespart werden, so das Ministerium.

Energetische Gebäudesanierung am effektivsten

„Erfahrungsgemäß lassen sich etwa eine Einsparung von zehn Prozent der Energiekosten durch organisatorische und etwa 25 Prozent durch investive Maßnahmen wie zum Beispiel die Gebäudesanierung erreichen“, so Michael Vötsch, Vorstand bei der KATE Umwelt und Entwicklung in Stuttgart, dessen Unternehmen Diakonie und Caritas bei deren Projekt „Klimaschutz“ begleitet.

Ob und welche Maßnahmen für eine Einrichtung möglich und sinnvoll sind, muss professionell ermittelt werden. Stichwort Klimamanagement. Auch hier liegt laut Experten noch viel im Argen. Fest steht: Ohne eine grundlegende Analyse, einen systematischen Ansatz, wie das Ziel der Klimaneutralität erreichbar ist, ohne personelle Verantwortlichkeit für die Umsetzung und das stete Controlling seien die hochgesteckten Ziele kaum erreichbar.

Bleibt die Kernfrage der Finanzierung, um beim Klimaschutz voranzukommen. Hier sehen die Sozialverbände eindeutig die Politik in der Verantwortung: „Wünschenswert für die Träger der Langzeitpflege sind gezielte Förderungen von energetischen Maßnahmen, die zum Beispiel als dauerhaft und niederschwellig abrufbare Gelder in den Kommunen zur Verfügung stehen“, sagt Eva-Maria Güthoff, Vorsitzende des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland (VKAD). Die Träger von Pflegeeinrichtungen bräuchten Sicherheit über die Finanzierung der nötigen Investitionen.

Kritik: Bund tut zu wenig für bessere Sanierungsbedingungen

„Die vom Bund zur Verfügung gestellten Gelder für Klimaanpassungen im sozialen Sektor in Höhe von 15 Millionen Euro pro Jahr bis 2026 stehen in keinem Verhältnis zu den Bedarfen“, mahnt die Verbandschefin: „Die fehlende Planungssicherheit darf nicht zum Investitionshemmnis für den dringend notwendigen Klimaschutz werden.“

Das sieht auch der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der diakonischen Dienstgeber in Deutschland (VdDD), Christian Dopheide, so. Die diakonischen Unternehmen stünden zwar längst bereit, den Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschaftsweise mitzugestalten. „Der Gesetzgeber muss dafür aber geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Refinanzierung der nötigen Investitionen.“

Das Problem der Refinanzierung bestätigt auch die Diakonie Hessen. Sie sei der Grund, warum sich bisher nur wenige Einrichtungen auf den Weg zur Klimaneutralität gemacht hätten. Weil sie kaum Eigenmittel hätten und nicht sicher sein könnten, dass sie die Kosten durch den Investitionssatz refinanziert bekommen, scheuten sie sich davor, umfassend zu modernisieren. „Die steigenden Zinsen tun ihr Übriges. Aus diesem Grund haben große Teile der Einrichtungen mit älteren Baujahren einen Sanierungs- und Investitionsstau“, heißt es auf Anfrage.

Preisanstieg stoppt Bauplanungen

Dazu kommen erschwerend die aktuellen Preisanstiege bei der Energieversorgung. In einer Umfrage der BFS Service GmbH gaben rund die Hälfte der über 1.000 Befragten an, dass Projekte aus den Bereichen Nachhaltigkeit und Immobilien gestoppt oder gänzlich abgebrochen werden mussten. Damit lägen dringend notwendige energetische Sanierungen von Bestandsbauten auf Eis.

„Träger und Organisationen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft wollen einen wichtigen Beitrag dazu leisten, dass Deutschland seine Nachhaltigkeitsziele erreicht“, unterstreicht Harald Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Bank für Sozialwirtschaft, die die Erhebung in Auftrag gegeben hat. Dazu bedürfe es eines Investitionsspielraums, der jedoch in weite Ferne rücke, wenn die Einrichtungen nicht kostendeckend arbeiten könnten.

Bund will Förderprogramm ausweiten

Völlig untätig ist die Bundesregierung beim Anschieben des Klimaschutzes jedoch nicht. 2020 hat das Bundesumweltministerium das Förderprogramm „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ mit einem Volumen von 150 Millionen Euro aufgelegt. Doch große Geldsummen gibt es hier in der Regel nicht. „Gefördert werden sowohl strategische Beratungsleistungen und die Erstellung umfassender Konzepte als auch investive Maßnahmen und Informationskampagnen und Bildungsangebote zur Anpassung an den Klimawandel in sozialen Einrichtungen“, so die zuständige Zukunft Umwelt Gesellschaft (ZUG) gGmbH in Berlin.

Die Resonanz auf das Förderprogramm sei enorm gewesen, berichtet das Ministerium. 2021 wurden 192 Anträge bewilligt. Und weil der Unterstützungsbedarf für Krankenhäuser, Kindergärten und Pflegestationen groß bleibe, soll das Förderprogramm nach 2023 fortgesetzt werden.

Aus gutem Grund: Der Klimawandel werde das Land noch sehr lange begleiten, betont die einstige Umweltministerin Svenja Schulze (SPD). Umso wichtiger sei es für die Sozialträger, sich für die Zukunft zu wappnen. Aber, da zeigt sich Schulze als Realistin: „Es fehlt oft die nötige Zeit, die man braucht. Es fehlt das Wissen und es fehlt das Geld.“

Dirk Baas