

Wolfhagen (epd). Drei Millionen Euro für neue Fenster und Türen, Dämmung von Wänden und Dach und für eine neue Nahwärmeversorgung: Viel Geld für das Seniorenzentrum Wolfhagen mit seinen 131 Plätzen. Und ob die Summe überhaupt ausreicht, kann Klaus Tschentscher, Geschäftsführer des Seniorenzentrums Wolfhagen in Nordhessen, nicht sicher sagen. Denn sowohl Zinsen wie Baupreise gehen weiter nach oben. „Die Sache ist alternativlos. Wir können nicht weiter Unsummen an Heizkosten bezahlen. Das ist langfristig zu teuer - sowohl für uns als auch für die Umwelt“, sagt Tschentscher. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Die Energiepreise sind massiv gestiegen, die Sommertemperaturen erreichten Rekordhöhen. Das Mittel der Wahl für Pflegeheime heißt „energetische Sanierung“. Was haben Sie mit ihrem in die Jahre gekommenen Heim in Wolfhagen vor?
Klaus Tschentscher: Unser Ziel ist es, ein KfW-70-Haus zu werden. Vier Dinge sind es, die wir tun wollen, oder, wenn man so will, tun müssen. Geplant ist die Dämmung der Fassade, dann werden Fenster und Türen ausgetauscht, das Dach wird gedämmt und wir wollen vom Erdgas loskommen und sind mit einem Versorger im Gespräch, der uns zukünftig über ein Nahwärmenetz mit Wärmeenergie aus einer Holzhackschnitzelanlage beliefern wird. Denn klar ist auch: Das Heizen mit Erdgas ist nicht ökologisch.
epd: Sie heizen noch mit Erdgas?
Tschentscher: Ja. Eine Besonderheit gibt es aber: Die Stadtwerke betreiben hier bei uns im Keller ein Blockheizkraftwerk und produzieren so Strom, den auch wir nutzen. Aber günstiger wird das alles dadurch für uns nicht. Wir stellen den Raum zur Verfügung, das ist alles. Aber auch das ist natürlich keine nachhaltige Heizung. Unser Heim mit 131 Plätzen stammt mit seinen ältesten Teilen aus dem Jahr 1966. Im Pflegeheim befinden sich auch die Räume unseres ambulanten Pflegedienstes. Unser Angebot wird ergänzt durch ein Betreutes Wohnen im Gebäude gegenüber, aber das ist aus dem Jahr 2005. Da müssen wir nichts dran machen.
epd: Klingt nach einem ambitionierten Projekt ...
Tschentscher: Ja. Derzeit ist leider die Finanzierung noch nicht abschließend gesichert, aber wir sind zuversichtlich, dass wir für dieses sinnvolle Projekt auch die notwendigen Mittel erhalten. Problematisch dabei ist, dass die Prüfungen der Banken immer viel Zeit benötigen und dabei derzeit sowohl die Zinsen als auch die Kosten für die Baumaßnahmen steigen. Die ursprünglich veranschlagten drei Millionen Euro werden wir vermutlich nicht halten können.
epd: Sie planen schon seit über einem Jahr. Warum geht das nicht schneller?
Tschentscher: An uns liegt es nicht. Wir haben alles so schnell es ging vorbereitet. Wir haben einen Energieberater an unserer Seite, waren auch schon in Gesprächen mit den Banken wegen der Refinanzierung, aber dann hat uns die KfW ausgebremst. Sie hat ihre Zuschusspraxis geändert - zu unserem Nachteil. Das hat uns völlig überrascht, denn statt ursprünglich 40 Prozent gibt es jetzt nur noch 15 Prozent Zuschuss, aber dafür ein günstigeres KfW-Darlehen.
epd: Also geht es doch endlich voran?
Tschentscher: Ja, es geht voran. Aber ganz egal, wie die Konditionen dann am Ende des Tages im Detail aussehen, die Sache ist alterativlos. Wir können nicht weiter Unsummen an Heizkosten bezahlen. Das ist langfristig zu teuer - sowohl für uns als auch für die Umwelt.
epd: Zu Beginn des Jahres waren ja alle KfW-Förderungen ausgesetzt. Wegen hoher Nachfrage. Das hat Sie und Ihre Planung auch tangiert?
Tschentscher: Ja. Da war schon viel Unsicherheit im Spiel. Die KfW hat ja unter der alten Bundesregierung KfW-50-Häuser im Neubau gefördert. Im Prinzip ist das aber längst allgemeiner Baustandard. Und wegen der hohen Energiepreise wird heute ohnehin nach diesem Standard gebaut. Also war die Frage für den Bund und die KfW: Wieso soll das dann noch zusätzlich gefördert werden? Der Neubau ist aus meiner Sicht ohnehin nicht das Problem, sondern die vielen Altbauten, die Mietwohnungen ebenso wie die unsanierten Sozialimmobilien. Gebäude wie unser Heim. Abreißen und neu bauen, das wäre eine Alternative. Dann bräuchte ich aber mindestens 30 Millionen Euro. Und die habe ich nicht. Also geht es darum, den Altbau fit für die Zukunft zu machen.
epd: Wie ist Ihr heutiger Energieverbrauch und was soll die Sanierung an Einsparung bringen?
Tschentscher: Wir haben rund 1.000 Megawattstunden als Jahresverbrauch im Pflegeheim. Das ist schon eine Hausnummer. Davon entfallen etwa 100 Megawattstunden auf die Warmwassererzeugung und wir benötigen noch etwa 900 Megawattstunden für die Wärmeerzeugung. Laut Energieberater soll unser Verbrauch künftig um 70 Prozent niedriger sein. Wir hoffen, dass das auch so ist, denn das ist nur eine Vorausberechnung. Aber machen wir uns nichts vor: Wenn die Energiekosten weiter deutlich steigen, dann kann es für uns am Ende womöglich unter dem Strich beim Heizen noch teurer werden als vor der Sanierung.
epd: Reden wir über die Finanzierung. Woher kommt das Geld?
Tschentscher: Die Sanierung müssen wir alleine hinbekommen. Über Kredite und Zuschüsse. Es gibt weder Gelder für den klimaneutralen Umbau von der Landesregierung Hessen noch von der Landesdiakonie. Die berät und unterstützt etwa bei der Planung und hat auch Kontakte zu Experten, aber keinen eigenen Topf für Fördergelder.
epd: Also Darlehen von der KfW und von Banken?
Tschentscher: Ja, die Finanzierung läuft über die KfW. Sie gibt das Geld und legt die Konditionen fest und die Hausbank leitet das Geld an uns weiter. Die Hausbank muss also prüfen, ob wir das Geld zurückzahlen können. Wenn wir dann die Standards der KfW eingehalten haben, wird uns ein Zuschuss als eine Art Sondertilgung in Höhe von 15 Prozent gewährt. Eine Besonderheit in unserem Haus besteht darin, dass ganz formal unsere Stiftung den Umbau finanziert, weil sie Eigentümerin des Gebäudes ist. Die gemeinnützige GmbH betreibt das Seniorenzentrum und zahlt Miete an die Stiftung.
epd: Welche Rolle spielt bei der Planung und Finanzierung der Kostenträger?
Tschentscher: Der Kostenträger, das ist ein eher abstrakter Begriff. Genau genommen sind das alle Heimbewohner, die Pflegekassen und der zuständige Landkreis, also das zuständige Sozialamt. Für unsere Überlegungen zur Sanierung ist nur der sogenannte Investbetrag, also die Investitionskosten, wichtig. Dieses Geld bekommen die Heimträger für den Unterhalt des Gebäudes oder für Anschaffungen neuer technischer Anlagen. Den Investbetrag gibt es jetzt auch schon, aber da das Gebäude schon sehr alt ist, ist der Betrag auch vergleichsweise niedrig.
epd: Aber der würde doch dann steigen, wenn ihre Sanierung hoffentlich Ende 2023 beendet ist?
Tschentscher: Stimmt. Ich habe das mal ausgerechnet, denn ich wollte wissen, wie dann die Entgelte der Bewohnerinnen und Bewohner steigen. Ich möchte aber keine Ergebnisse nennen, denn das ist ja alles noch nicht spruchreif. Aber um einige Euro pro Tag wird dieser Betrag nach Abschluss der Arbeiten schon steigen. Aber man muss auch sehen, dass unsere Einrichtung an Attraktivität gewinnt und auch die heißen Sommer erträglicher werden. Aber klar, für unsere Bewohner ist das natürlich nicht schön.
epd: Kommt denn künftig auch mehr Geld vom Landkreis?
Tschentscher: Ja. Über einen dann steigenden Investbetrag. Diesen müssen dann alle Bewohnerinnen und Bewohner zahlen. Zum einen werden die Selbstzahler belastet und zum anderen tragen das die Sozialhilfeträger für die Menschen, die das nicht selbst zahlen können. Aber eben erst zeitverzögert. Erst im Jahr 2025, wenn alles abgerechnet ist, können wir bei Verhandlungen unsere Mehrkosten auf den Tisch legen. Darlehen und Tilgung müssen wir über den Investbetrag wieder reinbekommen. Anders geht es nicht. Wir haben den Landkreis auch schon vorab darüber informiert, was wir vorhaben. Da gibt es keine Bedenken, denn auch die Behörden wissen, dass man im Klimaschutz vorankommen muss.
epd: Warum ist das überhaupt ein größeres Problem, für Sanierungsprojekte an Geld zu kommen? Ein Pflegeheim, das gut ausgelastet ist und zahlende Bewohner hat, hat doch per se Bonität?
Tschentscher: Das sagen Sie. Aber die Banken schauen derzeit vermehrt auf die Risiken, die sich aus der gesamtwirtschaftlichen Situation ergeben. Die sagen nicht, tolle Sache, Altenpflegeheim, sicherer Kunde. Nein, nein. Ich habe da sehr viele betriebswirtschaftliche Auswertungen, Ergebnisvorschauen und Erläuterungen abgeben müssen. Aber wir sind in einem guten Gespräch, mir leuchtet das alles ein, was da gefordert wird. Aber es ist eben nicht mehr wie vor einem Jahr, als Geld nichts gekostet hat und die gesamtwirtschaftliche Lage entspannter war.