Berlin (epd). Die Vorschläge der Gaspreiskommission reichen nach Auffassung von Sozialverbänden nicht aus, um Bedürftige vor Notlagen im Winter zu schützen. Die Gaspreisbremse komme erst im März oder April, „bis dahin werden die viele Menschen in ihren Wohnungen frieren müssen“, sagte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom 11. Oktober. Für alle, die ihre Gasabschläge trotz einer für Dezember vorgesehenen Zahlung nicht bewältigen könnten, brauche es jetzt Hilfe aus einem Härtefallfonds. „Dieser muss für Bedürftige noch in diesem Jahr kommen.“
Bentele begrüßte zugleich den am 10. Oktober präsentierten Vorschlag der Expertenkommission, im Dezember die Abschlagszahlungen für die privaten Haushalte komplett zu übernehmen. „Es ist eine unbürokratische und schnelle Lösung im Sinne des VdK, hier keine langwierigen Einzelfallprüfungen vorzunehmen.“
Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisierte, die Entlastungsvorschläge sähen Hilfen nach dem „Gießkannenprinzip“ vor. Es müsse „erheblich nachgebessert werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider am Dienstag im Inforadio des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB). Er forderte Entlastungen über das Steuersystem mit einer einkommensabhängigen Einmalzahlung. Auf diese Weise sei zielgenaue Hilfe für fast alle Haushalte möglich, die durch die Preissteigerungen überfordert seien.
Die Menschen litten nicht nur unter hohen Gaspreisen. Lebensmittel kosteten mittlerweile 18 Prozent mehr als im vergangenen Jahr, erklärte Schneider. Unter Hinweis auf die zweistellige Inflationsrate forderte er eine Erhöhung der monatlichen Regelsätze bei Grundsicherung und Hartz-IV-Leistungen um 200 Euro. Von der geplanten Reform des Wohngelds sollten nicht wie vorgesehen zwei Millionen, sondern vier Millionen Haushalte profitieren, forderte Schneider.
Mit einer staatlichen Einmalzahlung im Dezember und einer anschließenden Gaspreisbremse will die von der Bundesregierung einberufene Expertenkommission Bürger und Industrie von den hohen Energiekosten entlasten. Die Preise sollen durch den staatlichen Zuschuss auf zwölf Cent pro Kilowattstunde sinken - aber lediglich für 80 Prozent des geschätzten bisherigen Verbrauchs, um weiter einen Sparanreiz zu geben, hieß es am 10. Oktober bei der Vorstellung des Zwischenberichts der Kommission in Berlin. Für die Industrie soll es ab Januar einen Preisdeckel geben. Über die Umsetzung der Kommissionsvorschläge muss die Bundesregierung entscheiden.
Die Kommission schätzt die Kosten für ihren Vorschlag auf 90 bis 95 Milliarden Euro, rund 65 Milliarden Euro davon kämen Haushalten und kleinen Unternehmen zugute, 25 Milliarden Euro der Industrie.
Der Deutsche Caritasverband hält den vorgeschlagenen Hilfsfonds für unerlässlich. „Dass noch nicht alle Details ausgearbeitet sind, liegt schlichtweg am Zeitdruck, der bei der Arbeit der Kommission herrschte“, erklärte die Präsidentin des Verbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Welskop-Deffaa gehört der Gas-Kommission an.
Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sagte, der Vorschlag sei klug, Entlastungen in zwei Stufen auf den Weg zu bringen. „Er löst die riesige Herausforderung, schnell, spürbar und einfach die Menschen und die Unternehmen zu entlasten. Gleichzeitig zeigt der Vorschlag den Pfad auf, wie wir die steigenden Gas-Preise in den kommenden Monaten in den Griff bekommen können“, betonte Dedy.
Die Übernahme der Abschlagszahlung im Dezember für alle privaten Haushalten sowie kleine und mittlere Unternehmen schaffe schnell und merklich Luft. „Es ist ein großer Wurf, dass auch die vielen sozialen Einrichtungen, die Sportvereine oder die Theater entlastet werden sollen.“
Die Vorstandsvorsitzende des SoVD, Michaela Engelmeier, verwies darauf, dass eine Deckelung der Preise bei 12 Cent nur eine 100-Prozent-Preissteigerung beim Gas abdecke. „Das heißt: Gas- und Fernwärmekundinnen und -kunden bleiben trotzdem auf dem Großteil der Kostensteigerungen sitzen.“ Die Deckelung müsste aus SoVD-Sicht deshalb an einem deutlich niedrigeren Preis ansetzen. „Richtig gut finden wir, dass die Vorteile aus dem Kontingent versteuert werden müssen, denn dadurch ist ein sozialer Ausgleich möglich“, so die Vorsitzende.