Rom (epd). Nach den Wahlsiegen der rechtsnationalistischen Parteien in Italien erwartet der Migrationsforscher Christopher Hein eine Verschärfung der italienischen Flüchtlingspolitik, aber keine große Konfrontation mit der EU. „Meloni ist nicht Salvini“, sagte der Professor vom Politikwissenschaftlichen Institut der Libera Università Internazionale degli Studi Sociali (LUISS) in Rom dem Evangelischen Pressedienst (epd). Italien hänge finanziell von der EU ab. Giorgia Meloni, Parteichefin der Fratelli d'Italia, habe ein Interesse daran, ihren Nimbus als Neofaschistin abzustreifen und werde vorsichtig sein in Hinsicht auf eine Politik, die Grundwerten der EU zuwiderläuft.
Bei den Wahlen am 25. September hatte ein Bündnis der rechten Parteien Fratelli d'Italia, Lega und Forza Italia die Mehrheit der Parlamentssitze in Italien gewonnen. In den Jahren 2018 und 2019 war die Lega an einer Regierung beteiligt gewesen. Damals hatte Lega-Chef Matteo Salvini als Innenminister die Arbeit von Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Flüchtlinge retten, massiv behindert.
Auch Meloni habe für den Fall ihres Wahlsiegs wiederholt von einer „Seeblockade“ gesprochen, sagte Hein: „Diese Sprache ist ein klarer Hinweis auf die Richtung, in die die zukünftige Migrations- und Asylpolitik gehen wird.“ Er erwarte die erneute Diffamierung von Hilfsorganisationen als Schlepper und Profiteure des Flüchtlingselends. Außerdem könne die neue Regierung in Italien verstärkt mit Libyen und Tunesien bei der Rückführung von Flüchtlingen kooperieren und die Menschenrechtsverletzungen insbesondere in Libyen schönreden.
Das Thema Asyl habe im Wahlkampf zwar keine große Rolle gespielt, sagte Hein, aber die Menschen in Italien seien durch die Corona- und die Energiekrise verunsichert, daher habe das „Wir Italiener zuerst“ der rechten Parteien verfangen. Andere EU-Staaten könnten durch freiwillige Aufnahmen von Flüchtlingen den Druck der öffentlichen Meinung in Italien reduzieren, schlug der Politologe vor. Seit Anfang August gebe es bereits so eine Aufnahme auf freiwilliger Basis, an der sich formal 22 Staaten beteiligen. Bislang hätten aber nur Deutschland und Frankreich zusammen rund 6.500 Asylsuchende aus fünf Mittelmeer-Anrainerstaaten aufgenommen.