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VdK: Häusliche Pflege darf Angehörige nicht arm machen




Häusliche Pflege: Frau stellt Tabletten für ihren dementen Mann
epd-bild/Jürgen Blume
Wer zu Hause einen Angehörigen pflegt, bezahlt häufig mit einer Verschlechterung der eigenen finanziellen Lage. Einem Viertel der pflegenden Frauen droht Armut. Der Sozialverband VdK fordert einen Pflegelohn, der bei diesem Problem Abhilfe schaffen würde.

Berlin (epd). Der Sozialverband VdK hat die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich einen Lohn für pflegende Angehörige einzuführen. „Nächstenpflege darf nicht arm machen“, sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele am 27. September in Berlin. Sie verwies auf die völlig unterschätzte Bedeutung der Angehörigen für die Versorgung der Pflegebedürftigen in Deutschland: „Die Pflege in Heimen ist der Gesellschaft Tausende Euro jeden Monat wert, die Pflege zu Hause bisher finanziell fast nichts“, sagte Bentele.

Dabei würden 3,1 Millionen von insgesamt 4,1 Millionen Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, überwiegend, nämlich zu fast drei Vierteln, von Frauen. „Wenn die Angehörigen nicht mehr pflegen, kann ich mir nicht vorstellen, wer es dann machen soll“, sagte Bentele.

Ein Fünftel der Pflegenden sind armutsgefährdet

Nach Angaben des Verbandes ist jeder fünfte pflegende Angehörige armutsgefährdet. Die Quote liegt damit vier Prozentpunkte höher als in der Gesamtbevölkerung (16 Prozent). Armutsgefährdet sind Haushalte, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens haben, bei weniger als 50 Prozent gelten sie als „arm“. Bei den pflegenden Frauen - darunter auch Mütter, die sich um pflegebedürftige Kinder kümmern - hat jede Vierte ein hohes Armutsrisiko.

Jede und jeder dritte pflegende Angehörige plagt sich zusätzlich zu den hohen Belastungen mit finanziellen Sorgen. Obwohl die Angehörigen professionelle Unterstützung, etwa durch einen Pflegedienst, bräuchten, verzichteten mehr als die Hälfte darauf, weil sie zu viel zuzahlen müssten. Nach Angaben des VdK werden jedes Jahr Leistungen für die Pflege zu Hause im Wert von zwölf Milliarden Euro nicht abgerufen, häufig auch deswegen, weil sie nicht bekannt sind, ihre Beantragung zu zeitraubend ist oder die Angebote am Ort nicht vorhanden sind, wie etwa Kurzzeitpflegeplätze.

Lohnzahlung würde Armut verringern

Ein Lohn für die Pflege zu Hause würde das Bild deutlich verändern, hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag des VdK errechnet. Den DIW-Daten zufolge würde die Armutsrisikoquote unter pflegenden Frauen auf rund 15 Prozent sinken und insgesamt unter den pflegenden Angehörigen von 20 Prozent auf gut 13 Prozent.

Die jährlichen Ausgaben für einen Pflegelohn beziffert das DIW auf sechs Milliarden Euro. Die Zahlung würde sich in dem Modell nach dem tatsächlichen Aufwand für die Pflege richten, also nach dem Pflegegrad des Pflegebedürftigen. Vergütet würden bis zu 40 wöchentliche Pflegestunden zum Mindestlohn, der am 1. Oktober auf zwölf Euro erhöht wird.

Gegen bevorzugtes Modell der Bundesregierung

Damit schlägt der VdK ein anderes Modell vor als die Ampel-Koalition, die sich auf die Einführung einer Lohnersatzleistung nach dem Vorbild des Elterngeldes verständigt hat. Diese würde aber nach den Berechnungen des DIW zum einen das Armutsrisiko nicht so stark senken. Zum anderen erhielte der größere Teil der Pflegenden nur einen Sockelbetrag von 300 Euro monatlich, wie er auch im Elterngeld vorgesehen ist, hieß es.

Und schließlich würden Frauen erneut benachteiligt, wie VdK-Chefin Bentele deutlich machte. Eine Lohnersatzleistung wie das Elterngeld richte sich nach dem Einkommen. Frauen verdienten indes weniger als Männer und arbeiteten häufiger in Teilzeit. „Die Pflege durch eine Geringverdienerin ist aber genauso viel wert wie die Pflege durch einen Gutverdiener“, betonte Bentele. Der VdK werde sich dafür einsetzen, dass die Koalition ihre Pläne noch einmal überprüfe und endlich auch „einen Schutzschirm für pflegende Angehörige“ aufspanne.

Fachverband beklagt Wegbruch vieler ambulanter Hilfen

Der Bundesverband „wir pflegen!“ fordert ebenfalls schnelle Entlastungen für die Pflegenden. Am 7. Oktober organisiert er in der Landesvertretung Rheinland-Pfalz in Berlin einen hybriden Fachtag zur Situation in der häuslichen Pflege nach zweieinhalb Jahren Pandemie. Dort solle auf die anhaltende Überlastungssituation hingewiesen und Forderungen zur Entlastung pflegender Angehöriger mit Vertretern aus Politik und Wissenschaft diskutiert werden, heißt es in einer Mitteilung vom 28. September.

„Seit dem Wegbruch vieler Unterstützungsangebote zu Beginn der Pandemie sind pflegende Angehörige gezwungen, den Pflegenotstand in der ambulanten Versorgung, den Kliniken und Heimen zusätzlich zu kompensieren“, sagte Vorständin Edeltraut Hütte-Schmitz. Aufgrund des Pflegefachkräftemangels bleibe das auch auf weitere Jahre hin die Realität. „In vielen Regionen gibt es schlichtweg keine Entlastungsangebote für pflegende Angehörige. So sind Angehörige, zumeist Frauen oftmals gezwungen, ihre Erwerbstätigkeit zu reduzieren.“ Überforderung, Frustration und Altersarmut seien die Folgen.

Deshalb plädiert die Organisation dafür, die Kurz-, Tages- und Nachtpflege auszubauen. Zudem solle eine 36-monatige Lohnersatzleistung für pflegende Angehörige geschaffen werden. Zudem, so der Verein, müsse die rentenrechtliche Anerkennung von Pflegezeiten gleichgestellt werden mit Erziehungszeiten zur Alterssicherung pflegender Angehöriger. So lasse sich das Risiko von Altersarmut senken.

Bettina Markmeyer