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Krankenhäuser

Kritik an Personalbemessung für die Pflege in Kliniken




Künstliche Beatmung in einer Klinik
epd-bild/Heike Lyding
Die Bundesregierung will Krankenhäuser verpflichten, eine ausreichende Zahl von Pflegekräften zu beschäftigen. Das Kabinett billigte am 14. September in Berlin dazu einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Doch daran gibt es massive Kritik. Aus ganz unterschiedlichen Gründen.

Berlin (epd). Der Gesetzentwurf von Karl Lauterbach hat zum Ziel, die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte und die Versorgung der Patienten in den Kliniken zu verbessern. Im ersten Schritt sollen vom kommenden Jahr an Modell-Kliniken auf Normal- und Kinderstationen Vorgaben zur Personalbemessung umsetzen, die im Rahmen der Konzertierten Aktion Pflege während der vergangenen Legislaturperiode entwickelt worden sind. Auf der Grundlage dieser Praxistests werden anschließend allen Kliniken Vorgaben gemacht, wie viel Pflegepersonal sie beschäftigen müssen. Die Personalkosten werden durch die Krankenkassen refinanziert.

Von 2025 an sollen dann Krankenhäuser, die die Vorgaben nicht umsetzen, sanktioniert werden können, wobei die Lage auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt werden soll. Pflegekräfte sind schwer zu bekommen, in den Kliniken fehlen nach Schätzungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft bereits 40.000 Krankenpflegerinnen und -pfleger. Klinikträger, die sogenannte Entlastungstarifverträge mit verbindlichen Vorgaben zur Besetzung mit Pflegepersonal abgeschlossen haben, sollen von den Vorgaben ausgenommen werden.

Lauterbach: Branche muss umdenken

Gesundheitsminister Lauterbach erklärte im Anschluss an die Kabinettssitzung, die Klinikbranche müsse umdenken. Pflegekräfte seien extrem belastete Beschäftigte. Nur wer sie gut bezahle, Überstunden ausgleiche und die Stationen ausreichend besetze, werde sie halten oder neue Pflegekräfte gewinnen können. Das werde durch das neue Gesetz sichergestellt, so Lauterbach.

Genau das bestreiten Kliniken, Krankenkassen und Opposition. „Jedes Personalbemessungsinstrument muss sich daran messen lassen, ob es geeignet ist, die Qualität der Pflege am Krankenbett nachhaltig zu verbessern“, teilte der GKV-Spitzenverband nach dem Kabinettsbeschluss mit. Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis sagte: „Wir wollen, dass in den Krankenhäusern eine moderne, digitale Pflegepersonalbemessung eingeführt wird. Daten können im 21. Jahrhundert längst digital erfasst und vernetzt werden. Deshalb ist der jetzt angekündigte Weg der sogenannten PPR 2.0 eine Sackgasse.“

Zudem rügte sie den Beschluss, dass künftig der Finanzminister über die Personalausstattung in den Kliniken mitentscheiden soll. Das neue Gesetz enthalte einen Genehmigungsvorbehalt des Bundesfinanzministeriums. Damit besteht laut Stoff-Ahnis die Gefahr, dass zukünftig bei einer angespannten Haushaltslage beim Personalbedarf der Rotstift angesetzt wird.

Kritik an bruchstückhafter Umsetzung des Koalitionsvertrages

Bernadette Rümmelin, Geschäftsführerin des Katholischen Krankenhausverbands Deutschlands (kkvd), rügte, die Regierung wolle die im Koalitionsvertrag vereinbarte Pflegepersonalregelung offenbar nur bruchstückhaft umsetzen. „Der im Gesetzentwurf vorgesehene Finanzierungsvorbehalt durch das Bundesfinanzministerium ist ein fatales Zeichen für das Pflegepersonal, aber auch für die Patientinnen und Patienten: Eine Pflege nach Kassenlage ist ein Angriff auf unser Solidarsystem“, sagte Rümmelin. Eine bedarfsgerechte Pflege brauche eine bedarfsgerechte Personalausstattung.

Der Gesetzentwurf sehe außerdem vor, dass Krankenhäuser aus der Bemessungssystematik herausgenommen werden können, wenn dort ein Tarifvertrag gilt. „Diese Herausnahme schafft einen Flickenteppich und gefährdet die flächendeckende Umsetzung der Pflegepersonalregelung. Tarifverträge, die Personalvorgaben festlegen, ohne den Pflegebedarf der Patientinnen und Patienten zu ermitteln, sind ungeeignet, die Patientensicherheit zu erhöhen“, betonte die Geschäftsführerin.

Maßnahmen retten nicht die Kliniklandschaft

Jens Scholz, Vorsitzender des Verbandes der Universitätsklinika Deutschlands (VUD), sagte, mit kleinteiligen Maßnahmen für einzelne Probleme werde man das Krankenhaussystem langfristig nicht retten. „Pflegepersonalbedarfsbemessung mittels PPR 2.0 und die neuen Regelungen in den Budgetverhandlungen weder die Patientenversorgung verbessern noch den Mangel an Pflegekräften beheben“, so Scholz. Wenn dann auch noch die Finanzierung der Pflege im Krankenhaus nur im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzminister erfolgen könne, „wird eine Pflegepersonalbedarfsbemessung ad absurdum geführt“.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) sagte, der Entwurf zeige, dass der Gesundheitsminister „offenbar den Ernst der Lage in den Pflegeberufen nicht verstanden hat“. Die PPR 2.0 sei ein Instrument, mit dem mittelfristig eine ausreichende Personalausstattung auf allen bettenführenden Stationen erreicht werden soll. „Die konsequente Einführung wäre ein wichtiges Signal in die Berufsgruppe, dass ihre Not verstanden wird“, betonte Präsidentin Christel Bienstein. Statt nachzubessern hat das Gesundheitsministerium aber den Entwurf noch weiter geschwächt, in dem die Umsetzung der PPR 2.0 nun auch noch mit dem Finanzministerium abgestimmt werden müsse: „Es ist neu, dass der Finanzminister ein Mitspracherecht in Fragen der pflegerischen Versorgung erhält“, konstatierte Bienstein.

Kritik auch von der Linken

Kritische Worte kamen auch von der Opposition. Ates Gürpinar, Sprecher für Krankenhaus- und Pflegepolitik der Links-Fraktion, sagte, der Gesetzentwurf zeige, „dass Lauterbach die PPR 2.0 überhaupt nicht will“. Zwischen Regierungsentwurf und der Original-PPR 2.0 lägen Welten. „Der Regierungsentwurf geht von nur 5.000 zusätzlichen Pflegekräften aus, während die Krankenhausgesellschaft von 40.000, ver.di sogar von 80.000 ausgeht, wenn man ihr Konzept ordentlich umsetzt.“

Gürpinar sagte weiter, damit das nicht Realität werde, „hat Karl Lauterbach zugelassen, dass Finanzminister Christian Lindner bei der entscheidenden Verordnung ein Vetorecht bekommt“. Das müsse unbedingt im Verfahren im Bundestag korrigiert werden, sonst sei diese Regelung tot, noch bevor sie beschlossen wurde.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas