sozial-Politik

Armut

Steinmeier fordert mehr Engagement gegen Obdachlosigkeit




Bundespräsident Steinmeier gibt in einer Berliner Einrichtung Frühstück aus.
epd-bild/Christian Ditsch
Der Bundespräsident und seine Frau haben am 11. September in Berlin ein Obdachlosenprojekt besucht. Später lud er Akteure der Wohnungslosenhilfe zu einem Gesprächsforum in seinen Amtssitz ein. Er wolle helfen, das Problem in den Mittelpunkt zu rücken.

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat angesichts der Energiekrise Politik und Gesellschaft zu mehr Engagement gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit aufgefordert. Schätzungen zufolge lebten in Deutschland mehr als 300.000 Menschen ohne eigenes Zuhause. Das entspreche ungefähr der Einwohnerzahl einer Großstadt wie Münster oder Karlsruhe, sagte der Bundespräsident bei einem Gesprächsforum über „Strategien und Ansätze zur Überwindung von Wohnungslosigkeit“ in Berlin. Anlass war der Tag der Wohnungslosen.

„Mehr als 300.000, das ist eine viel zu große Zahl. Und wir müssen ganz klar sagen: In den kommenden Monaten droht diese Zahl sogar noch zu wachsen“, warnte Steinmeier. Krieg und Krisen könnten dazu führen, dass im Herbst und im Winter weitere Menschen in Deutschland in Wohnungsnot geraten.

„Niemanden bei Zahlungsschwierigkeiten im Stich lassen“

„Wir müssen jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass niemand, der wegen der steigenden Wohnkosten in Zahlungsschwierigkeiten gerät, sein Zuhause verliert oder sogar auf der Straße landet“, forderte der Bundespräsident: „Wir dürfen niemanden in unserem Land im Stich lassen, der nicht mehr weiß, wie er seine Miete und seine Nebenkosten bezahlen soll.“

Steinmeier sagte weiter, es dürfe den Bürgerinnen und Bürgern nicht gleichgültig sein, dass Menschen in Deutschland keine eigene Wohnung haben oder obdachlos sind. „Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Menschen im Abseits unserer Gesellschaft in Not und Elend leben, ohne Chance auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde.“ Das zu ändern, sei die gemeinsame Aufgabe von Politik und Gesellschaft.

Gespräche mit Betroffenen und Hilfsakteuren

Zu dem Gesprächsforum hatte der Bundespräsident Betroffene sowie Akteure aus Wissenschaft, Politik, Verwaltung, Gesundheitswesen, Wohnungswirtschaft und aus der Sozialen Arbeit in seinen Amtssitz Schloss Bellevue eingeladen.

Zuvor hatte er gemeinsam mit seiner Ehefrau Elke Büdenbender ein Obdach- und Wohnungslosenprojekt der Berliner Stadtmission besucht. ln dem von der EU geförderten zweijährigen Modellprojekt „Schutz und Neustart für Menschen ohne Obdach (SuN)“ in der Berliner Auguststraße leben bis zu 88 wohnungslose und obdachlose Menschen. Mit Hilfe von Betreuern soll ihnen ein Weg aus der Obdachlosigkeit ermöglicht werden.

Lob für „vorbildiche Einrichtung“

Steinmeier sprach von einer „vorbildlichen Einrichtung“, die den Menschen neben einer sicheren Unterkunft und regelmäßigen Mahlzeiten medizinische Versorgung und eine gute Betreuung biete. Für sie eine Perspektive aus der Obdachlosigkeit zu entwickeln sei schwer, „das kann sich jeder vorstellen“, sagte Steinmeier.

„Der Bundespräsident kann vielleicht ein bisschen helfen, das Problem in den Mittelpunkt der deutschen Öffentlichkeit zu rücken und Aufmerksamkeit einzuklagen für diejenigen, die am Rande stehen und oft vergessen werden“, sagte er. Auch deshalb besuche er immer wieder Einrichtungen der Obdach- und Wohnungslosenhilfe.

Nach Angaben der Berliner Stadtmission werden die Gäste der Einrichtung von Sozialarbeiterinnen, einem Job-Coach, einer medizinischen Fachkraft und zwei Psychologinnen betreut. Gefördert werde das Projekt bis November 2023. Danach hoffe man auf eine Finanzierung durch das Land Berlin.

Markus Geiler