Die Diakonie RWL warnt davor, die Pflegeheimbewohner noch weiter mit steigenden Eigenanteilen zu belasten. Doch genau das werde passieren, wenn die Energiepreise wie erwartet weiter nach oben klettern. Andreas Flaßpöhler, Referent m Zentrum Pflege, beziffert die bereits erfolgten Preissteigerungen im Schnitt auf rund 200 Euro je Heimbewohner - und es würden noch mehr werden. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Hohe Preissteigerungen bei Gas und Strom wie auch bei Lebensmitteln belasten die Pflegeheime. Lassen sich die Mehrkosten seit Jahresbeginn beziffern?
Andreas Flaßpöhler: Die Energiekrise und damit verbundene Inflation belastet die Einrichtungen massiv. Die für alle in dieser Höhe unvorhersehbaren Steigerungen führen in den Pflegeeinrichtungen zu Refinanzierungslücken, die nicht rückwirkend ausgeglichen werden können und über die auch nicht vorausschauend mit den Kostenträgern zu verhandeln sind. Die Mehrkosten kann man nicht genau beziffern.
epd: Nicht alle Heime sind gleichermaßen betroffen. Warum gibt es da oft erhebliche Unterschiede?
Flaßpöhler: Das hat vor allem damit zu tun, dass die Energiekosten stark vom Zustand des Gebäudes abhängen. Wie alt ist der Bau? Wurde bereits energetisch saniert? Wie ist der Energiemix und wie sieht die jeweilige Vertragslage bei Strom und Gas aus? Das ist von Pflegeeinrichtung zu Pflegeeinrichtung unterschiedlich. Fest steht für uns: Die derzeitige Situation wird alle Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegedienste vor große finanzielle Herausforderungen stellen.
epd: Die umstrittene Gasumlage kommt nun noch dazu: Was bedeutet das in finanzieller Hinsicht für die von Ihnen betriebenen Heime?
Flaßpöhler: Die Gasumlage wird künftig komplett über den zu zahlenden Eigenanteil beziehungsweise den Satz für Unterkunft und Verpflegung der Bewohnerinnen und Bewohner refinanziert. Eine Einrichtung mit 80 Bewohnern wird wohl mit einer jährlichen Mehrbelastung von mehr als 10.000 Euro rechnen müssen, die auf die Bewohner entsprechend umgelegt wird. Im Ergebnis führt das zu einer weiteren finanziellen Belastung der einzelnen Bewohner. Wenn diese die Kosten nicht mehr tragen können, muss am Ende der Sozialhilfeträger einspringen.
epd: Kann man schon sagen, welcher erhöhten Beträge da fällig werden?
Flaßpöhler: Ausgehend von abgeschlossenen Verhandlungen seit Mai 2022 hat es bislang eine durchschnittliche Preissteigerung, die den einrichtungsindividuellen Eigenanteil und Kosten für Unterkunft und Verpflegung beinhaltet, von knapp 200 Euro pro Monat gegeben. Da aber viele Verhandlungen noch anstehen und die Energiekrise sich verschärft, rechnen wir schon jetzt mit weiteren Preissteigerungen in dieser Größenordnung und auch deutlich mehr. Auf Seite der Einrichtungen ist es überlebenswichtig, diese Steigerungen mit den Kostenträgern zu verhandeln, um eine ausreichende Refinanzierung zu haben.
epd: Lassen sich weiter steigende Eigenanteile überhaupt noch verhindern?
Flaßpöhler: Für uns als Diakonie ist klar, dass die Bewohner von Einrichtungen nicht noch stärker belastet werden können, aber systembedingt kein anderer Weg daran vorbeiführt. Auch ambulant gepflegte Menschen und ihre Angehörigen müssen jetzt gezielt vom Staat unterstützt werden. Da ist auch der Bund gefragt, denn viele der Kommunen, die ja für die Sozialhilfe zuständig sind, werden das alleine nicht bewältigen können. Eine Reform der Pflegeversicherung ist notwendig, um die einseitige Mehrbelastung der Bewohnerinnen und Bewohner zu beenden und auch um eine ausreichende Refinanzierung der Einrichtungen sicherzustellen.
epd: Die Lage auf dem Energiemarkt bleibt angespannt. Und der Winter kommt erst noch. Was erwarten Sie von der Politik?
Flaßpöhler: Mit Blick auf die Energiekrise hat die Politik es verschlafen, energieeffiziente Umbauten der Heime stärker zu fördern. Entsprechend des Koalitionsvertrags wünschen wir uns die Finanzierung einer klimaneutralen Gebäudemodernisierung. Dass hier bislang zu wenig passiert ist, rächt sich jetzt massiv. Unsere Einrichtungen haben riesige Dachflächen, die prädestiniert für Solaranlagen. Wenn vor Jahren schon mehr Förderprogramme angestoßen worden wären, würden sich die Seniorenheime und ihre Bewohnerinnen und Bewohner jetzt nicht in einer so schwierigen Lage wiederfinden.