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Verkehr

9-Euro-Ticket: ÖPNV für alle




U-Bahn-Station Bundestag in Berlin
epd-bild/Jürgen Blume
Das 9-Euro-Ticket hat sich seit seinem Start zum 1. Juli bundesweit rund 52 Millionen Mal verkauft. Nach dem Ende des Angebots am 31. August werden Forderungen nach einem Anschlusskonzept laut. Denn: Ein günstiger ÖPNV ist auch für die soziale Teilhabe wichtig.

Templin, Berlin (epd). In Berlin aufgewachsen, kaum etwas anderes gesehen als die Hauptstadt. So geht es vielen Kindern aus armen Familien. Auf Twitter berichtet Fabian Schmidt über eine Reise mit seinem Sohn an die Ostsee. Möglich gemacht hat sie das 9-Euro-Ticket. „Er war begeistert von den Wellen“, schreibt er. Auf seinen Tweet erhält der Sozialarbeiter mehr als 14.000 Likes und bringt eine Diskussion darüber ins Rollen, inwieweit das 9-Euro-Ticket einen Beitrag zur sozialen Teilhabe leistet.

Eine weitere Nutzerin schreibt: „Ich konnte mir problemlos eine Zugfahrt zu meiner erkrankten Mutter leisten. Zu dem Zeitpunkt verstarb mein Großvater, die Anreise zur Beerdigung habe ich auch mit dem Ticket machen können.“ Zwei Beispiele von vielen, die zeigen, wie wichtig bezahlbare Angebote in Bussen und Bahnen sind, damit Menschen am Rande der Gesellschaft mobil sind oder es werden können.

Templin hat seit 25 Jahren kostenlosen ÖPNV

In Templin in der Uckermark gibt es seit 25 Jahren einen komplett kostenlosen ÖPNV. Bürgermeister Detlef Tabbert (Die Linke) sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Im Jahr 1997 hatten wir nur 30.000 Nutzer jährlich und überlegten, den ÖPNV komplett abzuschaffen. Da wir aber ein Kurort sind und viele Touristen haben, beschlossen wir stattdessen, ihn kostenlos zu machen.“

Innerhalb von vier Jahren stieg die Zahl der Fahrgäste von 30.000 auf 600.000 an. „Das hatte zwei Nachteile: Es war kaum noch finanzierbar und die Qualität nahm immer weiter ab. Wir mussten gegensteuern“, sagt Tabbert. Die Lösung war ein preiswertes, unkompliziertes Angebot in Kombination mit einem guten Ausbau des ÖPNV. Die Karte beinhaltet außerdem Vergünstigungen für Museen und Freizeiteinrichtungen und ist leicht übertragbar. Seit 15 Jahren gibt es in Templin die „Kurkarte“. Kosten des Jahrestickets: 44 Euro.

Geringer Aufwand - großer Nutzen

„Ein großer Vorteil ist, dass wir kaum noch bürokratischen Aufwand haben“, sagt der Bürgermeister. So kann Geld, das sonst für Kontrolleure und Fahrscheine ausgegeben wird, in den Ausbau der Infrastruktur investiert werden. „Viele Senioren sagen: Wir haben dieses Ticket von unseren Kindern geschenkt bekommen, das nutzen wir jetzt auch.“ Das günstige Ticket trage zur sozialen Teilhabe bei. Für Tabbert ist außerdem entscheidend: „So viele Leute wie möglich sollen den Bus nutzen, so wenige wie möglich das Auto.“

Studien zum aktuellen 9-Euro-Ticket zeigten in den vergangenen drei Monaten allerdings: Die Menschen lassen das Auto nicht sehr viel öfter stehen. Das Angebot hat also seinen ursprünglichen Zweck nur teilweise erfüllt. Doch hat das Ticket, wie Untersuchungen ergeben haben, eine andere positive Wirkung: Besonders für Menschen, die am Existenzminimum leben, wie Azubis, Studierende, Sozialhilfeempfängerinnen und -empfänger, Rentnerinnen und Rentner und Arbeitslose bedeutet es eine deutliche Steigerung der Lebensqualität.

Auch in der Berlin sieht man die Vorteile des günstigen Angebots. Die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) plant eine Übergangsregelung, möglichst gemeinsam mit Brandenburg. Sozialpolitisch und verkehrspolitisch sei ein Billigticket aber nur nachhaltig, wenn es dauerhaft installiert werde. Deshalb plane Berlin eine Brückenlösung für Oktober, November und Dezember. Vom Bund sei nichts zu erwarten, was vor Januar in Kraft treten werde.

Stefanie Unbehauen