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Verbände fordern Anschlusslösung für 9-Euro-Ticket




Hat ausgedient: das Neun-Euro-Ticket
epd-bild/Daniel Peter
Aktuelle Befragungen zeigen: Das 9-Euro-Ticket hat das Mobilitätsverhalten vieler Menschen verändert. Verkehrsunternehmen und Länder fordern den Bund deshalb auf, künftig mehr Geld für den ÖPNV bereitzustellen. Die Caritas sieht aber auch die Länder in der Pflicht. Die Debatte über neue Billig-Tickets reißt nicht ab.

Berlin (epd). Ein Zusammenschluss zahlreicher Verkehrs- und Umweltverbände sowie von Kirchen dringt auf eine rasche Anschlusslösung für das am 31. August beendete 9-Euro-Ticket. Das Bündnis sprach sich am 30. August für eine bundesweit einheitliche Anschlussregelung, einen umfangreichen Ausbau der Infrastruktur und eine solide Finanzierung aus.

Zu dem zivilgesellschaftlichen Bündnis Sozialverträgliche Mobilitätswende gehören der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die IG Metall, ver.di, die Sozialverbände SoVD, VdK und AWO, die Umwelt- und Verkehrsverbände Nabu, BUND und VCD sowie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD).

Gerade armen Menschen sei über den Sommer der Zugang zu Mobilität ermöglicht worden, hieß es. Dies zeige, welches Potenzial ein attraktiver Tarif für den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und damit für eine dringend nötige Mobilitätswende habe, argumentieren die Verbände.

Forderung nach Investition in Qualität

Zuvor hatten die Verkehrsminister der Länder und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) gemeinsam neben einer Anschlusslösung für das 9-Euro-Ticket langfristige Finanzierungszusagen des Bundes für einen zukunftsfähigen ÖPNV gefordert. „Wir brauchen auch Investitionen in die Qualität“, sagte am 29. August bei einer Video-Pressekonferenz Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne), amtierende Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz der Länder. Am 31. August endete das vom Bund finanzierte 9-Euro-Ticket im Regionalverkehr.

Laut den Zwischenergebnissen einer VDV-Studie mit wöchentlich 6.000 Interviews hat es durch das 9-Euro-Ticket Verlagerungseffekte vom Pkw zum ÖPNV gegeben. Demnach haben zehn Prozent der Fahrten mit dem Ticket eine Fahrt ersetzt, die sonst mit dem Auto unternommen worden wäre. Die Verantwortung für eine Nachfolgeregelung für das Ticket sieht Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) allerdings vorrangig bei den Ländern.

Mehr Gelder für strukturschwache Regionen angemahnt

Schaefer sagte, der Bund müsse die Förderung der Regionen künftig kräftig aufstocken, damit der ÖPNV in strukturschwachen Gebieten attraktiver und zuverlässiger werde. Die Senatorin forderte vom Bund konkrete Vorschläge, wie eine Anschlusslösung an das 9-Euro-Ticket ausgestaltet und finanziert werden könne.

VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff hob besonders die Klimawirkung eines attraktiven ÖPNV-Angebotes hervor. Auf Grundlage der vom Pkw auf Busse und Bahnen verlagerten Fahrten habe das 9-Euro-Ticket rund 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart: „Drei Monate 9-Euro-Ticket haben etwa so viel CO2 eingespart, wie ein Jahr Tempolimit auf Autobahnen bringen würde.“ Es habe also nicht nur die Bürgerinnen und Bürger finanziell entlastet, sondern auch eine eindeutig positive Wirkung für das Klima.

52 Millionen Tickets verkauft

Insgesamt wurden den Angaben zufolge während des Aktionszeitraumes von Juni bis August 52 Millionen 9-Euro-Tickets verkauft. Dazu nutzten rund zehn Millionen reguläre ÖPNV-Abonnenten das Angebot.

In einer repräsentativen Umfrage hatten der VDV, die Deutsche Bahn und das Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa während des Aktionszeitraumes insgesamt 78.000 Personen befragt. Dabei zeigte sich, dass der günstige Anschaffungspreis für 56 Prozent der Befragten das Hauptargument für den Kauf war. Immerhin 43 Prozent nannten den Verzicht auf Autofahrten als Kaufgrund. Auch die Flexibilität sowie die bundesweite Gültigkeit wurden als Kaufargumente genannt.

„9-Euro-Ticket verlängern“

Amira Mohamed Ali, Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, sagte: „Wir fordern eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets bis mindestens Jahresende.“ Der Bund müsse die Länder hierbei unterstützen. „Bundeskanzler Scholz ist jetzt gefragt, gegenüber Finanzminister Lindner, der die Länder im Regen stehen lassen will, ein Machtwort zu sprechen.“

Aus der SPD-Fraktion wurde am 29. August ein konkreter Vorschlag bekannt. Sie will ein Ticket für 49 Euro monatlich einführen, wie aus einem Beschlussentwurf für die Klausur der Fraktion am Ende der Woche hervorgeht. Das solle jeweils zur Hälfte von Bund und Ländern getragen werden, heißt es darin.

„Schluss mit dem Tarifdschungel. Länder und Bund müssen sich im Rahmen des 3. Entlastungspaketes so schnell wie möglich auf eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket verständigen“, forderte Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa in Berlin: „Soziale Teilhabepolitik und Klimaschutz - das zeigt der sommerliche Feldversuch - gehen gemeinsam.“

„Mobilitätspolitik ist soziale Teilhabepolitik“

Sie warb für ein Jahresticket für 365 Euro, bzw. Monatsticket für 29 Euro für alle und kostenlos für Menschen mit niedrigen Einkommen. „Innovative Mobilitätspolitik ist soziale Teilhabe- und erfolgreiche Klimapolitik, die nachhaltig von Bund und Ländern gemeinsam abgesichert werden muss“, betonte die Caritas-Präsidentin.

VdK-Präsidentin Verena Bentele erklärte am 30. August in Berlin, eine Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket müsse schnell gefunden werden. „Günstig, unkompliziert und bundesweit einheitlich - sollte das neue Ticket sein. So bleiben viele Menschen - trotz hoher Inflation - weiterhin klimafreundlich mobil.“ Die Vorschläge zu einem 49-Euro-Ticket seien ein guter Anfang.

„Allerdings reicht der derzeitige Regelsatz in der Grundsicherung und bei Hartz-IV nicht für ein 49-Euro-Ticket aus. Menschen mit wenig Geld müssen weiterhin mobil sein können, das muss auch im neuen Bürgergeld berücksichtigt werden“, so die Präsidentin.

Dieter Sell, Dirk Baas