Hamburg, Berlin (epd). In Deutschland sollen 1.000 Gesundheitskioske entstehen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellte am 31. August beim Besuch des Gesundheitskiosks Hamburg-Billstedt dazu eine Gesetzesinitiative vor. Die niedrigschwelligen Beratungsangebote zu gesundheitlichen Themen und einfache Behandlungsangebote wie etwa das Blutdruckmessen sollen nach Angaben des Ministeriums bundesweit speziell in sozial benachteiligten Regionen aufgebaut werden.
Weder Geldbeutel noch Wohnort dürften über die ärztliche Behandlung von Patientinnen und Patienten entscheiden, sagte Lauterbach in der Hansestadt. Auch in strukturell schwachen Gebieten sollten alle Menschen die Möglichkeit haben, schnell und kompetent in Gesundheitsfragen beraten zu werden und unbürokratisch Hilfe zu erhalten. „Gesundheitskioske können dabei einen entscheidenden Unterschied machen“, sagte der Minister. Sie hätten eine Lotsenfunktion.
Gesundheitskioske sollen medizinische Behandlungen vermitteln, Behandlungen koordinieren und Menschen an die Themen Prävention und Gesundheitsförderung heranführen. Ferner sollen dort einfache medizinische Routineaufgaben wie etwa Blutdruck und Blutzucker gemessen werden, Verbandswechsel und Wundversorgung erledigt werden und subkutane Injektionen gegeben werden, veranlasst von Ärztinnen und Ärzten.
Initiieren sollen die Anlaufstellen den Angaben zufolge die Kommunen. Die Finanzierung ist wie folgt aufgeteilt: Die gesetzliche Krankenversicherung wird 74,5 Prozent der Gesamtkosten, die private Krankenversicherung 5,5 Prozent und die Kommunen 20 Prozent der Gesamtkosten tragen.
Der erste Gesundheitskiosk in Deutschland entstand 2017 für die Hamburger Stadtteile Billstedt und Horn. Er startete laut der AOK Rheinland/Hamburg mit einem durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Projekts. Ziel war der Aufbau eines regionalen, integrierten Gesundheitsnetzwerks mit Fokus auf Prävention, Gesundheitsförderung und -erhaltung.
Der Gesundheitskiosk als Herzstück des Netzwerks bildet demnach eine wichtige organisatorische Schnittstelle zwischen der medizinischen Versorgung und dem Sozialraum. Eine Evaluation des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg aus dem Jahr 2021 belegt, dass der Gesundheitskiosk einen verbesserten Zugang zur Versorgung schafft und zur Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten sowie zur Entlastung der Ärzteschaft beiträgt.
Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK Bundesverbandes, begrüßte zwar das Konzept. Doch die überwiegende Finanzierung durch die gesetzlichen Krankenkassen sei nicht machbar: „Für die Kosten, die von der GKV zu übernehmen wären, müsste zumindest eine Refinanzierungsoption aufgezeigt werden.“ Mindestens die Hälfte der benötigten Mittel müssten von der öffentlichen Hand aufgebracht werden. „Eine Beteiligung der Kommunen von 20 Prozent, wie in den Eckpunkten vorgesehen, reicht nicht aus“, so Reimann.
Dass sich andere Sozialleistungsträger beteiligen, sollte zudem ebenfalls verbindlich festgelegt werden. Unklar bleibe ihr auch, warum der Anteil der PKV auf lediglich 5,5 Prozent begrenzt bleibt. „Der Gesundheitskiosk, der medizinische und soziale Versorgungsbedarfe der Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen in den Blick nimmt, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, sagte Reimann.
Grundsätzliche Kritik an dem inhaltlichen Konzept äußerte Reimann auch: Grundsätzlich sei es nicht zielführend, Gesundheitskioske so eng an die Primärversorgung der ambulanten Versorgung anzubinden. „Wenn der Gesundheitskiosk primär als Verlängerung der Arztpraxis angesehen wird und auf deren Veranlassung tätig wird, gefährdet dies den niedrigschwelligen Zugang.“ Im Kiosk sollten medizinische Routineaufgaben wie Blutdruckmessen nicht im Vordergrund stehen.