sozial-Recht

Landessozialgericht

Keine Asylleistungskürzung wegen verweigerter "Ehrenerklärung"



Darmstadt (epd). Ausreisepflichtige Flüchtlinge können für die Ausstellung neuer Passpapiere nicht zur Unterzeichnung einer Erklärung über ihre „freiwillige“ Ausreise gezwungen werden. Geben sie solch eine „Ehrenerklärung“ in der Botschaft ihres Heimatlandes nicht ab, verstoßen sie nicht gegen ihre Mitwirkungspflicht bei der Passbeschaffung, entschied das Hessische Landessozialgericht (LSG) in einem am 8. Juli veröffentlichten Beschluss. Eine Kürzung der Asylbewerberleistungen sei daher unbegründet, so die Darmstädter Richter, die sich damit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) anschlossen.

Im konkreten Fall ging es um einen abgelehnten iranischen Asylbewerber. Mit seiner Duldung wurde auch seine Abschiebung angedroht. Doch diese scheiterte, da der Flüchtling über keine gültigen Passpapiere verfügte.

Verletzung der Mitwirkungspflicht

Die deutschen Behörden forderten den Mann auf, sich den Pass in der iranischen Botschaft zu beschaffen. Der lehnte ab. Er habe mehrfach vor der Botschaft gegen den Iran demonstriert. Er habe Angst vor einer Abschiebung. Außerdem könne er nur einen neuen Pass erhalten, wenn er eine „Ehrenerklärung“ abgebe, nach der er „freiwillig“ ausreisen wolle. Er könne aber nicht zur freiwilligen Abgabe solch einer Erklärung gezwungen werden, verwies der Flüchtling auf die BSG-Rechtsprechung.

Wegen der Verletzung seiner Mitwirkungspflicht an der Passbeschaffung wurden dem Mann die Asylbewerberleistungen gekürzt. Der Flüchtling legte dagegen Widerspruch ein.

„Freiwillig heißt 'freier Wille'“

Zu Recht, befand das LSG, das die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wieder herstellte. Der Antragsteller habe Anspruch auf weitere Geldleistungen in Höhe von 154,58 Euro für März 2022 und 217,94 Euro bis einschließlich August 2022.

Das Gericht schloss sich dabei der Rechtsprechung des BSG vom 30. Oktober 2013 an (Az.: B 7 AY 7/12 R). Danach könne niemand von einem Flüchtling verlangen, dass dieser ausreisen will. Denn in Deutschland gelte immer noch der Grundsatz, dass die Gedanken frei sind. „Freiwillig heißt ‚freier Wille‘“, sagte der damalige Vorsitzende Richter des 7. BSG-Senats, Wolfgang Eicher. Würde man diesen Grundsatz missachten, „wären wir in einem totalitären Regime“.

Wegen der verweigerten Ehrenerklärung dürften Asylbewerberleistungen daher nicht gekürzt werden, so das LSG.

Az.: L 4 AY 13/22 B ER