Köln (epd). Beschäftigte am Uniklinikum Bonn dürfen für mehr Entlastung streiken. Der Streikaufruf der Gewerkschaft ver.di ist weder unverhältnismäßig, noch sind die darin angegebenen Ziele des Streiks zur Entlastung von im Klinikum tätigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu unbestimmt, entschied am 1. Juli das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. Eine tarifvertragliche Verletzung der Friedenspflicht liege mit der Arbeitskampfmaßnahme ebenfalls nicht vor.
Ver.di hatte Anfang Mai 2022 die Beschäftigten n den sechs nordrhein-westfälischen Unikliniken zum Streik aufgerufen. Die DGB-Gewerkschaft fordert vom Arbeitgeberverband des Landes NRW den Abschluss eines „Tarifvertrags Entlastung“. Dieser soll etwa eine personelle Mindestbesetzung in den Kliniken oder einen Freizeitausgleich für besonders belastende Arbeit vorsehen. Damit die Patienten wegen des Streiks nicht gefährdet werden, hat ver.di an allen Standorten mit den Klinikleitungen einen Notdienst vereinbart. Das Uniklinikum Bonn wollte den Streik und weitere Streikaufrufe per einstweiliger Verfügung stoppen.
Doch der Antrag hatte sowohl vor dem Arbeitsgericht Bonn als auch vor dem LAG keinen Erfolg. Die Tarifforderungen seien ausreichend bestimmt, entschieden die Kölner Richter. Dem stünden auch nicht abschließende oder beispielhafte Forderungen im Streikaufruf entgegen. Die Arbeitgeberseite könne sich darauf einstellen, wie sie auf die formulierten Tarifziele reagiere. Der Streik ziele auch nur darauf, die eigentlichen Tarifverhandlungen anzuschieben. Die konkrete Ausgestaltung sei dann Sache der Verhandlungen.
Dass es wegen bestehender Regelungen im Gesetz über die Pflegeberufe und weiterer Vorschriften zu anästhesie- und operationstechnischen Assistenten keinen Spielraum für tarifliche Regelungen gebe, stimme nicht, entschied das LAG. Denn auch über die gesetzlichen Vorschriften hinaus könne „insbesondere einer zur Stärkung der Ausbildungsqualität beabsichtigten günstigeren Regelung der Tarifvertragsparteien“ vereinbart werden. Rechtswidrig sei der Streik somit nicht.
Mit dem Streik für einen „Tarifvertrag Entlastung“ werde auch nicht gegen die tarifvertragliche Friedenspflicht verstoßen. Zwar gebe es bereits geltende Tarifverträge, konkret der TV-L und die Ausbildungstarifverträge TV-L Gesundheitsberufe und TVA-L Pflege. Diese regelten aber nicht abschließend das Streikziel einer vorbeugenden Verhinderung des Entstehens spezifischer Belastungssituationen bei den Beschäftigten.
Schließlich sei der Streik auch nicht unverhältnismäßig. Ver.di sei mit der Vereinbarung über die Einrichtung einer ausreichenden und geeigneten Notversorgung genügend auf die Interessen des Arbeitgebers und Patientinnen und Patienten eingegangen.
Ver.di sicherte zu, den Betrieb von mindestens 25 OP-Sälen am Uniklinikum Bonn zu gewährleisten. Sobald die Eckpunkte für einen Tarifvertrag stehen, könne der Streik sofort beendet werden, sagte Gabriele Schmidt, Leiterin des ver.di-Landesbezirks NRW. Es gebe nun auch kein Hindernis mehr für den Abschluss eines Tarifvertrags Entlastung, da auch der Landtag am 30. Juni 2022 eine Finanzierungszusage gegeben habe.
Az.: 10 SaGa 8/22