München (epd). 6.30 Uhr im Hotel Cocoon. Diana Kysyl und ihre ukrainischen Kolleginnen bereiten das Frühstück für die hundert Hotelgäste vor. Die junge Frau ist eine von vielen, die aus der Ukraine geflohen sind. Susanne Grill, Projektmanagerin der Hotel-Gruppe, ist begeistert von der Einsatzbereitschaft der Neuankömmlinge. „Sie sind sehr fleißig und unfassbar engagiert. Bis jetzt haben wir ausschließlich positive Erfahrungen gemacht“, sagt Grill, die seit mehr als 15 Jahren in der Gastronomiebranche tätig ist.
Mit den kommunalen Behörden ist sie jedoch unzufrieden. „Erst seit kurzem dürfen alle offiziell arbeiten. Aus den versprochenen zwei Wochen Bearbeitungszeit sind drei Monate geworden.“ Es sei eine Tortur mit stundenlangem Telefonieren und über 50 E-Mails an die Stadt München und das Sozialreferat, sagt sie. „Viele Geflüchtete wollen arbeiten, aber es scheitert an bürokratischen Hürden.“
Die sieben Cocoon-Hotels in München beschäftigen schon seit Jahren Menschen aus der Ukraine. Als der Krieg am 24. Februar ausbrach, durften die Angestellten ihre Familien nachziehen lassen. Bald folgten Freunde und Bekannte. Nun sind es über 50, hauptsächlich Frauen und Kinder. „Wir wollen helfen“, sagt Grill, „aber es wird uns unheimlich schwer gemacht.“
Die Flüchtlinge sind zurzeit im Hotel untergebracht. Zu stemmen sei das nur mit ehrenamtlichem Engagement und Spenden. Das Sozialreferat der Stadt München teilte auf Anfrage mit: „Grundsätzlich können Geflüchtete aus der Ukraine selbst entscheiden, ob sie im Hotel bleiben oder in eine unserer Unterkünfte ziehen wollen.“ Allerdings sei die Erstattung der Wohnkosten begrenzt.
Fehlende Sprachkenntnisse bereiten Probleme. „Alle Deutschkurse waren ausgebucht. Wir konnten keinen Dolmetscher finden, zum Glück ist eine Bekannte eingesprungen“, erzählt Grill. Auch die Tatsache, dass bereits Ukrainer in dem Hotel gearbeitet haben, die Übersetzungsarbeit leisten konnten, war von Vorteil.
„Der jüngste Flüchtling war bei seiner Ankunft einen Monat alt. Nun hat er seinen Vater seit einem Vierteljahr nicht gesehen. Die Frauen sorgen sich um ihre Männer, die sich im Krieg befinden“, berichtet Grill. Die Geflüchteten stehen unter enormem psychischen Druck und leiden unter posttraumatischer Belastung.
Umso wichtiger sind geregelte Wohn- und Arbeitsverhältnisse. Doch die Barrieren für den Eintritt in den deutschen Arbeitsmarkt sind hoch. Um als Geflüchteter erwerbstätig zu werden, braucht es eine Aufenthaltserlaubnis. Laut Bundesagentur für Arbeit ist der Weg dorthin kompliziert und braucht Zeit.
Claudia Moravek, Leiterin des Arbeitsbereichs „Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen“ im Bundesinstitut für Berufsbildung sagt: „Als Köchin oder Fachkraft im Gastronomiegewerbe ist die Anerkennung nicht zwingend notwendig, da diese Berufe in Deutschland nicht reglementiert sind. Somit können aus der Ukraine Geflüchtete, die bereits in Deutschland leben, sich unmittelbar auf freie Stellen in der Gastronomie bewerben.“
Doch in der Praxis ist das nicht so einfach. Jeder Ausländer brauche eine sogenannte Fiktionsbescheinigung, mit der das Bestehen eines vorläufigen Aufenthaltsrechts nachgewiesen wird. Die Stadt München sei mit den Tausenden Flüchtlingen überfordert gewesen. „Wir müssen uns an die Vorgaben halten. Das hat bei so vielen Menschen eben gedauert“, erklärt die Pressestelle der Stadt.
In der Gastronomie und Hotelbranche ist der Personalmangel groß. Julia Stump, Pressesprecherin der Agentur für Arbeit in Bayern, sieht in den Ukrainerinnen gut qualifizierte Arbeitskräfte. „Besonders mittelfristig können Frauen aus der Ukraine eine Chance für den deutschen Arbeitsmarkt sein.“
Doch es müsse sich auch strukturell etwas ändern. Grill berichtet über eine ihrer Angestellten, die ein Bankkonto eröffnen will und erst in drei Wochen einen Termin dafür erhält. Situationen wie diese erschweren den Geflüchteten den Neubeginn: „Die Menschen sehnen sich nach Normalität und Alltag.“