sozial-Recht

Verwaltungsgerichtshof

Befürchtete Entführung kein Grund für Namensänderung beim Kind




Schatten einer Mutter und ihrer Kinder
epd-bild/Maike Glöckner
Eine befürchtete Kindesentführung durch den Expartner rechtfertigt keine Namensänderung bei den Kindern. Das gilt auch dann, wenn mit verschiedenen Namen der Kinder und des Vaters höhere Hürden für Reisen bezweckt werden, entschied der Verwaltungsgerichtshof Mannheim.

Mannheim (epd). Für getrennt lebende oder geschiedene Mütter und Väter ist die Entführung der gemeinsamen Kinder durch den Expartner ein Schock. Um eine befürchtete Kindesentführung vor allem ins Ausland zu erschweren und Behörden misstrauisch zu machen, kann aber nicht verlangt werden, dass die Kinder und der Expartner verschiedene Namen haben müssen, entschied der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim in einem am 8. Juni veröffentlichten Beschluss. Eine mögliche Kindesentführung sei kein Grund für eine Änderung des Familiennamens beim Kind.

Streit um die Kinder

Konkret ging es um ein unverheiratetes Elternpaar von zwei heute neun und sechs Jahre alten Kindern. Ursprünglich hatten die Kinder den Familiennamen der Mutter. Im Mai 2016 ließen die Eltern den Familiennamen der Kinder auf den Namen des Vaters ändern. Beide Elternteile übten das Sorgerecht aus. Doch als das Paar sich im Mai 2019 trennte, folgten zahlreiche Streitigkeiten um die Kinder. Beim Umgang mit den Kindern brachte der Vater diese mehrfach nicht zur Mutter zurück.

2020 eskalierte die Situation. Der Vater nahm ohne Zustimmung der Mutter die Kinder mit ins Ausland. Die daraufhin eingeleitete Fahndung hatte erst nach fünf Monaten Erfolg. Sie wurden an der rumänisch-ungarischen Grenze aufgegriffen. Zwischenzeitlich hatte die Mutter das alleinige Sorgerecht erhalten. Da der Vater sich anschließend wieder kooperativ gezeigt hatte und eine Vereinbarung zum Umgangsrecht in Vorbereitung war, stellte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der strafbaren Kindesentziehung ein.

Um künftige Kindesentziehungen zu erschweren, beantragte die Mutter, dass die Kinder wieder ihren früheren Familiennamen erhalten sollten. Sowohl Jugendamt als auch das Regierungspräsidium stimmten dem aus Kindeswohlgründen zu. Bei einer Namensverschiedenheit von Vater und Kindern werde die Gefahr einer Kindesentziehung verringert, so die Begründung. Denn gerade bei Auslandsreisen falle ein Mann mit Kindern und verschiedenen Namen bei Kontrollen leichter auf. Hier sei das Kindeswohl gefährdet gewesen, da die Kinder bereits fünf Monate lang keinen Kontakt zu ihrer Mutter hatten. Der Vollzug der Namensänderung wurde mit sofortiger Wirkung angeordnet.

Namensänderung aus „wichtigem Grund“

Der Vater beantragte vorläufigen Rechtsschutz und wollte die Entscheidung wieder kippen. Das Ermittlungsverfahren sei ja eingestellt worden. Die Änderung des Familiennamens der Kinder sei mit Blick auf das Kindeswohl nicht erforderlich.

Dem stimmte auch der VGH Mannheim zu und hob die sofortige Vollziehung der Namensänderung wieder auf. Die Änderung des Familiennamens sei nach dem Gesetz nur aus „wichtigem Grund“ erlaubt. Ein wichtiger Grund für die Namensänderung könne eine Kindeswohlgefährdung sein. Dies sei etwa der Fall, wenn der nicht sorgeberechtigte Elternteil sich überhaupt nicht um das Wohlergehen des Kindes kümmert oder andere Geschwister einen anderen Familiennamen aufweisen.

Hier liege jedoch keine Kindeswohlgefährdung vor, wenn die Kinder weiter den Namen des Vaters behalten. Die vorgebrachte Kindeswohlgefährdung wegen einer begangenen und drohenden Kindesentziehung liege nicht in dem gemeinsamen Namen mit dem Vater begründet, sondern in der widerrechtlichen Verlängerung des Umgangs mit den Kindern, betonte der VGH. Das Familienrecht könne dem mit einer Umgangsbeschränkung begegnen. Mittlerweile habe der Vater auch Umgangsvereinbarungen über einen längeren Zeitraum eingehalten. Anhaltspunkte für eine Kindesentziehung gebe es nicht mehr.

Gutes emotionales Verhältnis

Der Vater habe zudem ein gutes emotionales Verhältnis zu seinen Kindern und sei für sie eine wichtige Bezugsperson. Werde der Familienname geändert, bestehe die Gefahr, dass die persönliche stabile Beziehung zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil beeinträchtigt werde.

Allerdings hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe am 27. März 2019 entschieden, dass bei konkreten Anhaltspunkten für eine Kindesentführung ein Elternteil nicht die Kinderreisepässe an den Expartner herausgeben muss. Bestünden hierzu aber keine Hinweise, könnten Eltern, die ihr Sorge- und Umgangsrecht wahrnehmen, „all diejenigen persönlichen Gegenstände, Kleidung und Urkunden“ verlangen, die während des Aufenthalts voraussichtlich benötigt werden.

Im Streitfall könne die aus Kamerun stammende Mutter den Kinderreisepass für ihr dreijähriges Kind von ihrem Expartner einfordern. Dass die Frau mit dem Kind nach Kamerun reist und nicht zurückkehrt, sei nicht zu erwarten. Denn die Frau gehe in Deutschland einer Ausbildung nach und sei hier verwurzelt.

Gefahr körperlicher und seelischer Schäden

Liegt eine strafbare Kindesentführung vor, darf das Kind von den Behörden aber nicht auf Teufel komm raus zum anderen Elternteil zurückgeführt werden. Denn vor einer Rückkehr muss erst geprüft werden, ob diese mit einer möglichen Gefahr körperlicher und seelischer Schäden beim Kind verbunden ist, urteilte am 26. November 2013 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Das Kindeswohl sei höher zu bewerten als die Unrechtmäßigkeit der Kindesentführung.

Im entschiedenen Fall hatte eine Mutter ihr Kind von Australien in ihre Heimat nach Lettland ohne Zustimmung des Vaters entführt. Die zuständigen Behörden und Gerichte ordneten die Rückkehr des Kindes an. Die Mutter zog daraufhin wieder nach Australien, rügte jedoch, dass laut einem Gutachten das Kind bei einer Trennung von ihr ein Trauma erleiden würde. Dem hätten die lettischen Behörden jedoch nachgehen müssen, urteilte der EGMR.

Az.: 1 S 388/22

Az.: XII ZB 345/18

Az.: 27853/09

Frank Leth