Frankfurt a. M. (epd). Für Familien mit geringem Einkommen und besonders deren Kinder haben Corona-Pandemie und Lockdown große Belastungen mit sich gebracht. So fiel etwa mit der Schließung von Schulen und Schulkantinen für viele eine wichtige Mahlzeit weg. Schon vor der Pandemie gab es hierzulande Menschen, die laut Experten nicht genug zu essen hatten. Und gerade steigen massiv die Preise, vor allem für Energie und Lebensmittel. In die Einrichtungen des „Christlichen Kinder- und Jugendwerks - Die Arche“ kommen viele schlecht ernährte Kinder.
Die Welthungerhilfe unterscheidet zwischen akutem Hunger, Unterernährung über einen begrenzten Zeitraum und chronischem Hunger, einem Zustand dauerhafter Unterernährung. Der Körper nimmt in allen Fällen weniger Nahrung auf, als er braucht. Zu wenig Essen und einseitige Ernährung führen zu Nährstoffmangel. Dem Körper fehlen dann etwa Eisen, Jod, Zink oder Vitamin A.
Langfristig führt Mangelernährung zu schweren Krankheiten und bremst Kinder in ihrer Entwicklung, wie die Welthungerhilfe erklärt. Menschen, die unter chronischem Hunger leiden, seien weniger gesund und weniger leistungsfähig.
Aus dem Alltag im reichen Deutschland erzählen kann Wolfgang Büscher, Sprecher des Christlichen Kinder- und Jugendwerks - Die Arche. „Ich habe in Deutschland Kinder und Erwachsene mit Mangelernährung gesehen, aber noch niemanden mit Hunger. Aber der Hunger wird kommen“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Hilfsorganisation Arche betreut 4.500 Kinder in 30 Einrichtungen in Deutschland, der Schweiz und Polen.
Dass weinende Mütter anrufen und sagen, dass sie seit zwei Tagen nichts mehr im Kühlschrank haben, erlebt Büscher oft. Wenn die Energiekosten steigen, wird noch weniger Geld für Essen übrigbleiben, sagt er. „Ich gehe davon aus, dass die Ersten in wenigen Monaten hungern werden.“
Schon jetzt kommen ab dem 20. des Monats in vielen Familien Nudeln mit Ketchup auf den Tisch, sagt Büscher. Er rät Menschen mit wenig Geld, kostenlose Anzeigenblätter auszuwerten, Sonderangebote zu suchen und mit dem Fahrrad zu dem Supermarkt zu fahren, in dem es sie gibt, auch wenn der etwas weiter weg ist.
Doch manche Menschen seien dazu gar nicht in der Lage. Fehlende Bildung sei ein Problem. Außerdem: Wer nach anderthalb Jahren oder länger von staatlichen Transferleistungen lebt, dem fehle es oft auch an Kraft: „Die Eltern haben keine Power mehr“, sagt Büscher. Wenn die Eltern nicht helfen könnten, müssten die Schule etwas tun. „Die Kinder müssten in der Schule lernen, dass man Obst und Gemüse essen muss und warum“, sagt Büscher.
„Ernährungsarmut bedeutet: Es ist nicht möglich, sich mit den finanziellen Mitteln, die man hat, gesund zu ernähren“, erklärt der Stuttgarter Ernährungsmediziner Hans Konrad Biesalski. „Mangelernährung gefährdet das körperliche Wachstum der Kinder und auch ihre Hirnentwicklung“, sagte er dem epd. Der Arzt betont: „Damit ist nicht gesagt, wer arm ist, ist dumm. Sondern: Das Potenzial, das in einem Kind steckt, wird in der Mangelernährung nicht ausgeschöpft.“
Mehr Geld ist eine Lösung, sagt Biesalski: „Bei einer US-Studie bekamen 220 Familien aus armen Verhältnissen nach der Geburt ihres Kindes ein Jahr lang 300 Dollar im Monat, 215 andere Familien 30 Dollar. Danach sah man mit Hilfe spezieller EEG-Methoden deutlich, dass sich die Hirnentwicklung der Kinder unterschied.“ Ein höherer finanzieller Zuschlag für Kinder - „das ist das Beste, was man machen kann“.
Dass Menschen, die arm sind, weniger gesund leben, zeigt der sechste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung. In Familien mit niedrigem ökonomischen Status seien gesunde Ernährung und Bewegung seltener und Übergewicht häufiger, heißt es dort. Ein besonders großes Armutsrisiko hätten Alleinerziehende und Familien mit mehr als zwei Kindern.