sozial-Recht

Bundesverwaltungsgericht

Rückkehrhilfen können Abschiebungsschutz aushebeln



Leipzig (epd). Ausreisepflichtige Ausländer können auch bei widrigen Lebensumständen in ihrem Heimatland abgeschoben werden. Denn können Rückkehrhilfen das Existenzminimum für eine gewisse Zeit in dem Heimatland gewährleisten, kann auf diese Weise eine drohende, der Abschiebung entgegenstehende unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Flüchtlings verhindert werden, urteilte am 21. April das Bundesverwaltungsgericht. Für die Zulässigkeit einer Abschiebung sei es nicht erforderlich, dass das Existenzminimum des Ausländers in seinem Herkunftsland „nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist“, entschieden die Leipziger Richter.

Geklagt hatte ein afghanischer Flüchtling, der im Frühjahr 2016 in Deutschland einreiste. Sein Asylantrag blieb ohne Erfolg.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg entschied am 17. Dezember 2020, noch vor der Machtübernahme der Taliban, dass der Mann nicht abgeschoben werden dürfe. Die Mannheimer Richter begründeten dies insbesondere mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

Keine Aussicht auf Arbeit

Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan habe sich „infolge der COVID-19-Pandemie derart verschlechtert, dass ein Rückkehrer aus dem westlichen Ausland keine realistische Aussicht hat, auf dem Tagelöhnermarkt eine Arbeit zu finden“. Eine Sicherung der eigenen Existenz sei in Afghanistan ohne eigenes Vermögen oder ein bestehendes familiäres Netzwerk nicht möglich. Hier sei davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr seine elementarsten Bedürfnisse nicht decken könne, so der VGH.

Das Bundesverwaltungsgericht urteilte jedoch, dass ein ausreisepflichtiger Ausländer keinen Abschiebungsschutz wegen einer Gefährdung der Existenzsicherung beanspruchen könne, wenn Rückkehrhilfen auf absehbare Zeit die elementarsten Bedürfnisse gewährleisten können. Das in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung werde mit einer Abschiebung dann nicht verletzt.

Nur ausnahmsweise könne Abschiebungsschutz bestehen, wenn bereits vorab klar ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung droht. Dies muss nun im Streitfall der VGH noch einmal prüfen.

Az.: 1 C 10.21