sozial-Recht

Landessozialgericht

Rückwirkender Heimvertrag für behindertes Kind gültig



Stuttgart (epd). Ein Heimvertrag für ein schwerst behindertes Kind kann auch rückwirkend abgeschlossen werden. Ist die Unterbringung in einem Schulinternat wegen der Behinderung erforderlich, muss die Sozialhilfe die Heimkosten ab dem im Vertrag aufgeführten rückwirkenden Datum übernehmen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 2. April veröffentlichten Urteil.

Konkret ging es um ein 2010 geborenes schwerst behindertes Kind. Infolge einer erlittenen Hirnschädigung traten bei dem Jungen epileptische Anfälle auf. Er konnte nicht laufen und benötigte intensive Pflege und Betreuung. Die Mutter hatte ihren Sohn jahrelang gepflegt und wurde infolge der belastenden Situation selber krank. Der Vater konnte wegen seiner Multiplen Sklerose ebenfalls nicht einspringen.

Jahrelanger Rechtsstreit beendet

Die Eltern beantragten 2015 beim zuständigen Sozialhilfeträger Eingliederungsleistungen zur Kostenübernahme für das Internat einer Förderschule. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit. Das behinderte Kind kam dann 2016 tatsächlich in das Internat. Der Heimvertrag wurde zwei Jahre später geschlossen, allerdings rückwirkend ab dem Tag der erstmaligen Unterbringung.

Nachdem das Sozialgericht Reutlingen die Erforderlichkeit der Schulinternatsunterbringung festgestellt hatte, wehrte sich der Sozialhilfeträger dagegen, bereits ab Ende Juli 2016 die Unterbringungskosten zu übernehmen. Denn der Heimvertrag sei schriftlich erst zwei Jahre später geschlossen worden. Für die Zeit 28. Juli 2016 bis 9. Juli 2018 fehle es an einer vertraglichen Grundlage für eine Kostenübernahme gefehlt, so die Argumentation.

Sozialhilfeträger muss zahlen

Das LSG gab dem klagenden behinderten Schüler jedoch recht. Der Sozialhilfeträge müsse ab Ende Juli 2016 Eingliederungsleistungen für die stationäre Unterbringung zahlen. Das umfasse täglich 155,63 Euro für die Unterbringung, 0,92 Euro täglich für die Schulbegleitung, einen Barbedarf von 10,50 Euro monatlich sowie für zusätzliche Öffnungstage täglich 71,98 Euro. Die Beträge stiegen zudem ab Mai 2018 etwas.

Hier sei die Unterbringung des Kindes in dem Schulinternat erforderlich gewesen, begründete das LSG seine Entscheidung. Weil der Heimvertrag ab der tatsächlichen Unterbringung abgeschlossen wurde, erfasse er den gesamten Zeitraum der Unterbringung. Es sei auch zulässig, dass der Heimvertrag für die Vergangenheit abgeschlossen wurde. Denn aus dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz ergebe sich kein Verbot des rückwirkenden Vertragsschlusses. Damit sei der Sozialhilfeträger leistungspflichtig.

Az.: L 2 SO 2228/20